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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Pater zu. »Außerdem könnte es allmählich, hm, dumme Gerüchte geben, was die Vorlieben unseres ›jungen Herrn‹ betrifft.«
    »Wie meint Ihr das?« Die noch immer ziemlich unbedarfte Alberta wirkte wieder einmal irritiert und dem Benediktiner war es peinlich, darauf zu antworten.
    »Pater Winfried denkt, manche Leute würden sich vielleicht das Maul darüber zerreißen, wenn du dich nicht irgendwann für eine junge Frau entscheidest«, half der Graf dem Mönch aus der Verlegenheit. »Unser Herrgott, die Kirche und nicht zu vergessen, unser Herzog: Sie alle verabscheuen jeden Mann, der in der Liebe sein eigenes Geschlecht bevorzugt. Es könnte dir ungeheuer schaden, falls du in dieses schiefe Licht gerietest.«
    Alberta konnte nichts dagegen tun: Die Röte der Verlegenheit schoss ihr ins Gesicht.
    Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, sagte sie, mit einem leisen Räuspern:
    »Und Ihr seid der Meinung, wenn wir das Gerücht von meinem frommen Gelöbnis ausstreuen, könnte das hilfreich sein?«
    Alle drei nickten; auch die Bedenken von Albertas Vater schienen jetzt zerstreut zu sein.
    »Nun, dann wollen wir es so machen! Nichts wäre mir mehr zuwider, als andauernd heiratswillige Damen vor den Kopf stoßen zu müssen. Und in den Verdacht zu geraten, ein Männerliebhaber zu sein - das kann ich mir weiß Gott nicht leisten.
Die Inquisition verfolgt neuerdings auch Herren von hohem Adel, die dieser Sündhaftigkeit verdächtigt werden.«
    Damit war das Kapitel für die Familie zu Mangfall-Pechstein vorläufig abgeschlossen. Am gleichen Tag noch würde man diesbezüglich eine Botschaft an die Eltern der kleinen Constanze senden.
     
    Wieder zurück in der Landeshauptstadt, widerfuhr Alberta eine im Grunde recht banale Geschichte. Aber in ihrem speziellen Fall konnten auch Kleinigkeiten gefährlich werden.
    Sie war eines Abends in der städtischen Trinkstube am Marktplatz eingekehrt, um sich bei einem großen Becher heißen Gewürzweins aufzuwärmen. Draußen herrschten eisige Temperaturen und sie war lange in der Stadt unterwegs gewesen. Bald gesellten sich einige Herren zu ihr an den Tisch. Sie war ja eine stadtbekannte Person …
    Man unterhielt sich friedlich, bis ein Fremder auftauchte. Er war sehr gut gekleidet, schien aber ein etwas mürrischer Geselle zu sein. Nachdem er seine Marderfellmütze abgenommen und sich aus seinem pelzverbrämten Überrock geschält hatte, ließ er sich am Nebentisch, der noch unbesetzt war, nieder.
    Alberta und die übrigen Gäste bestaunten heimlich sein aufwendig besticktes, rotes Samtwams und die hohen, offenbar nagelneuen Lederstiefel. Der Fremde bestellte sich ein Glas Kräuterschnaps und gleich darauf noch eines. Auch das kippte er umgehend hinunter, den »Geheimen Rat« dabei ungeniert musternd.
    »Wie steht’s, junger Herr? Seid Ihr auch mit den Muskeln so gut beieinander wie mit dem Mundwerk?«, fragte er mit dreistem Lachen. »Man hört, dass Ihr vor allem bei Gericht mit Eurer geschliffenen Rhetorik zu glänzen versteht. Ich bin
vermutlich zwanzig Jahre älter als Ihr, aber ich wage zu behaupten, dass ich Euch, junger Richter, beim Über-den-Tisch-Ziehen jederzeit besiege! Wollt Ihr es wagen - oder traut Ihr Euch dieses Späßchen etwa nicht zu?«
    Alberta wurde es richtiggehend schlecht. Die anderen Gäste jubelten bereits. Bei diesem Späßchen, im Volksmund »Fingerhakeln« genannt, handelte es sich - neben dem fast genauso beliebten Armdrücken - um die bayerische Nationalsportart schlechthin: Und in der hatte Alberta weiß Gott keine Chance.
    Soweit sie wusste, wurde sie nach einigen Krügen Bier von den jungen Burschen jeden Sonntag in den bayerischen Dorfwirtshäusern praktiziert, und auch in München war dieser Sport gang und gäbe. Sie würde sich bis auf die Knochen blamieren, sah aber keine Möglichkeit, sich dem Ansinnen zu entziehen.
    Zu allem Überfluss war ihr Kontrahent leider keineswegs ein Riese, gegen den zu verlieren keine Schande gewesen wäre. Wie konnte sie sich bloß auf die Schnelle die Hand verstauchen - oder wenigstens ein paar Finger brechen? Wie auf Kommando hatte der Wirt inzwischen den Ring aus Schafsdarm herbeigezaubert, in den beide Parteien jeweils den Mittelfinger ihrer rechten Hand einhakten, ehe sie auf Kommando mit aller Kraft in ihre eigene Richtung zerrten und versuchten, den anderen im wahrsten Sinne des Wortes »über den Tisch zu ziehen«.
    Gottergeben setzte Alberta sich in Position. Als die Zuschauer, die sich jetzt alle eng

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