Die Hexenadvokatin
hatte Streifen ihres leinenen Untergewandes mithilfe ihrer kräftigen Zähne aus dem Stoff gerissen, zu einer Schnur geflochten und daraus eine Schlinge geknüpft, mittels derer sie sich an den Eisenstäben qualvoll erdrosselte. Die Kette, die sie an die Mauer gefesselt hatte, ließ ihr entschieden zu viel Bewegungsfreiheit …
Die Vorbereitungsarbeiten musste die junge Frau bereits in der ersten Nacht im Kerker erledigt haben, denn am gestrigen
Tage hatte der Eisenhans ihr die Fingerkuppen gequetscht und die Oberarme aus den Gelenkpfannen gerissen. Letztere waren ihr zwar von den Knechten wieder eingerenkt worden, dennoch wäre sie niemals imstande gewesen, zu flechten oder ein Seil zu verknoten. Es war schon erstaunlich, wie die geschwächte Freda es überhaupt geschafft hatte, ihren Hals durch die Schlinge zu bekommen.
»Dass sie selbst ihrem Leben ein Ende bereitet hat, war eine schreckliche Todsünde«, deklamierte der Pater salbungsvoll. »Hoffen wir, dass der Herrgott sie ihr aufgrund ihrer grässlichen Martern nachsieht. Wir dürfen wohl annehmen, dass sie aus Angst vor weiteren Schmerzen nicht mehr Herrin ihrer Sinne war. Ich werde für ihre arme Seele beten.«
Den Fund, den er im Stroh auf dem Boden der Zelle machte, verschwieg der Pater Alberta wohlweislich: ein mühevoll hingekritzelter Zettel, auf dem Freda im Angesicht des Todes beteuerte, niemals mit dem Teufel zu tun gehabt zu haben. Was den alten Mönch jedoch veranlasste, Fredas letztes Zeugnis in einer Tasche seiner Kutte verschwinden zu lassen, war der verheerende Hinweis, sie habe Angst, »das große Geheimnis eines bedeutenden Edelmannes« nicht mehr länger für sich behalten zu können. Vermutlich müsse sie es im Tausch gegen ihre Freilassung lüften, weil sie weitere Schmerzen einfach nicht mehr ertrage. Obwohl dies ihre einzige Möglichkeit sei, dem Scheiterhaufen zu entgehen, habe sie »dennoch große Bedenken«, denn sie habe diesem Edelmann einst »geschworen, darüber Stillschweigen zu bewahren«. Um nicht wortbrüchig zu werden und damit eine gewisse Person, die immer freundlich zu ihr gewesen sei, ins Unglück zu stürzen, scheide sie lieber freiwillig aus dem Leben. Der ehrenwerte Hexenrichter werde schon wissen, was sie damit meine …
Kaum nach Hause zurückgekehrt, warf der Pater das verräterische
Stück Papier im gräflichen Palais in den brennenden Kamin der Wohnhalle. Wie hätte seine Herrin diese letzten Worte Fredas wohl aufgenommen? Zum Glück hatte der Eisenhans den Zettel nicht entdeckt. Freilich hatte er sich gewundert, wo das Schreibmaterial und der Gänsekiel nebst Tintenfass geblieben waren, Dinge, welche die Gefangene sich von seiner Frau erbeten hatte - angeblich, um ein Geständnis niederzuschreiben. Federkiel und ausgelaufener Tintenbehälter fanden sich nach einer Weile im Stroh, der Zettel jedoch, den die Kerkermeisterin Freda gegeben hatte, war und blieb verschwunden.
Das abrupte Ende dieses Hexenprozesses sorgte für einiges Aufsehen. Der Kerkermeister Hans Bürgler und seine Frau mussten sich eine Menge unangenehmer Fragen gefallen lassen, was die Überwachung der Gefangenen im Falkenturm betraf. Es hätte nicht viel gefehlt, und der Eisenhans wäre selbst in einer der Zellen gelandet …
Der Herzog war höchst verstimmt - hatte er doch gerade in dieses Verfahren einige Erwartungen gesetzt.
Fredas Vater, der Präzeptor Lorenz von Hoferichter, trauerte aufrichtig um seine Tochter, an deren Schuld er keinen Augenblick geglaubt hatte. Er war überzeugt davon, dass es sich bei ihrer Verhaftung um eine gemeine Intrige gehandelt haben musste - vielleicht die Denunziation einer eifersüchtigen Ehefrau, deren Mann seiner Freda zu viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte.
Die drei angeblichen Zeugen von Fredas »Hexereien« waren bezeichnenderweise Personen aus weit entfernten Dörfern, die seine Tochter vermutlich nicht einmal vom Sehen gekannt hatten.
Graf Wolfgang Friedrich schäumte vor Wut. Nicht genug damit, dass man die Unverschämtheit besessen hatte, die schöne Freda, die unter seinem Schutz stand, nach München zu entführen, nein, er musste auch noch miterleben, dass sein eigen Fleisch und Blut mit dieser Schändlichkeit befasst war. Am schlimmsten traf ihn seine eigene Ohnmacht, denn natürlich war ihm klar, dass er nicht viel unternehmen konnte, wenn er seine Familie, allen voran Alberta, nicht in höchste Gefahr bringen wollte.
Als man die Tochter des Erziehers in rüder Manier auf den
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