Die Hexenadvokatin
großem Appetit: Obwohl ohne Fleischeinlage zubereitet, da Freitag war, war er äußerst gehaltvoll.
»Ah! Die Suppe schmeckt so köstlich, wie sie riecht«, schwärmte der Mönch, der den weltlichen Genüssen durchaus nicht abgeneigt war, und tunkte ein Brotstück in das Gemisch aus verschiedenen Rüben, Selleriewurzel, Petersilie, Kerbel, Weißkraut, Lauch und grünen Bohnen. Dann knüpfte er an das vorige Gespräch wieder an und erkundigte sich, welche Delikte in Bayern die am häufigsten begangenen waren.
»Oh, da haben wir eine genaue Aufstellung.« Alberta legte ihren Löffel beiseite. »Die Sittlichkeitsdelikte machen beinahe ein Drittel aller Straftaten aus, nachdem Seine Durchlaucht die sogenannte Leichtfertigkeit, womit der vor- und außereheliche Geschlechtsverkehr gemeint ist, auch unter Strafe gestellt wissen will. Eigentumsdelikte machen etwa ein Viertel aller Gesetzesbrüche aus und den Gewaltverbrechen gegen Leib und Leben ist ungefähr ein Fünftel zuzurechnen.«
»Und der Rest? Das sind wohl kleinere Vergehen wie etwa Beleidigungen, Fluchen oder Fleischessen an Fastentagen, Arbeiten an Feiertagen oder wenn jemand das österliche Beichten und Kommunizieren vergisst, wie?« Die Stimme des Benediktiners bekam bei diesen Worten einen leicht süffisanten Unterton.
»Ja, Pater. Wobei der Herzog allerdings das Fluchen zu den schlimmen Delikten zählt. Aber wenn wir die Leichtfertigkeit nicht zu den schweren Verbrechen rechneten, dann wären die Eigentumsdelikte in Bayern an erster Stelle. Raub und Diebstahl sind wirklich ein großes Problem - vor allem die gern praktizierte Wilddieberei.«
»Gewiss ein Unrecht. Obwohl ich es schon verstehen kann, wenn ein armer Mann, mit vielen hungrigen Mäulern daheim, glaubt, sich aus dem Wildbestand seines Herrn bedienen zu dürfen. Da könnte man sicher des Öfteren ein Auge zudrücken,
oder?«, überlegte der Benediktiner laut, der bekanntermaßen ein großes Herz für die Armen besaß.
»Das ist zwar richtig, Pater«, räumte die junge Rechtsgelehrte ein, »aber andererseits geht es bei der Ahndung des Wilderns weniger um den meist geringen Wert der erlegten Beute, sondern um die damit verbundene kriminelle Energie und die vom unerlaubten Schusswaffengebrauch ausgehende Gefahr. Wo kämen wir hin, wenn jedermann einen Schießprügel zur Hand hätte - und diesen auch nach Lust und Laune benützte? Deshalb besteht unser Herzog darauf, dass man in Zukunft jeden Wilderer wie einen Räuber und Mörder zu behandeln hat. Die neue Jagdordnung, die ich erstellen soll, siedelt die Wilderei daher bei den Vitztumshändeln an.«
»Oh je! Das wird manchen jungen Burschen in den Dörfern und in unseren bayerischen Bergen hart ankommen«, vermutete der Pater. »Und wie steht es um die vorgesehenen Strafen?«
»Da wird sich nicht viel ändern. Die Folter zur Erzwingung von Geständnissen bleibt, genauso wie die Landesverweisung, das Auspeitschen und das Prangerstehen, ebenso die Todesstrafe am Galgen oder durch das Schwert, wahlweise auch das Verbringen auf die Galeeren. Letzteres soll vor allem unverbesserliche Wilddiebe treffen.
Auf die Zwangsarbeit im Kriegsdienst und im Festungsbau will Maximilian auch künftig nicht verzichten. Bei der geplanten Aufstockung der Münchner Stadtmauer wird diese Maßnahme gleich zum Tragen kommen. Als Neuheit ist allerdings auf Maximilians ausdrücklichen Wunsch hin die Strafe der Hinrichtung bei dreimaligem Ehebruch vorgesehen.«
»Gütiger Himmel! Das könnte zahlenmäßig allerhand Lücken in die Bevölkerung reißen - mehr noch als die Pest«, vermutete der Benediktiner trocken und griff nach seinem Wasserglas.
An einem Freitag wurde nicht einmal Dünnbier im gräflichen Palais konsumiert.
»Es gibt auch gute Neuigkeiten, Pater«, fuhr Alberta fort. »Von den sechs in Bayern bekannten Formen der Todesstrafe werden das Ertränken und das Lebendigbegrabenwerden gestrichen und verbrannt werden ›nur‹ noch die überführten Hexen. Bleiben hingegen soll das grauenhafte Rädern.
Es soll in besonderem Maße der Abschreckung dienen - allerdings wird der Delinquent vorher erdrosselt -, genau wie das Hängen am Galgen für Diebe, was als entehrend für das Opfer und seine Angehörigen gilt. Erhalten bleibt uns ferner die Enthauptung durch das Schwert, was als die ehrenvollste aller Leibesstrafen gilt. Beibehalten will der Herzog bei besonders schändlichen Verbrechen auch das grausame Spießen für Männer, sowie das Abschneiden der
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