Die Hexenadvokatin
Brüste bei Frauen.«
Der Benediktinermönch bekreuzigte sich.
»Herrgott im Himmel! Was für eine Abscheulichkeit! Ich habe beides zuletzt im Jahr 1600 draußen auf dem Galgenberg miterlebt, als man die Landfahrerfamilie Pappenheim hingerichtet hat. Als das Oberhaupt der Bande mit dem After auf den langen, zugespitzten Pfahl gesetzt wurde, der sich durch das Gewicht des Opfers in das Körperinnere drückte, brüllte der Pappenheim, dass man es bis nach München gehört haben muss! Seitdem ist bei uns meines Wissens diese entsetzliche Strafe nicht mehr angewendet worden.
Und der Pappenheimerin wurden, ehe man sie zum Galgenberg führte, mit einer Zange die Brüste abgezwickt! Diese grässliche Strafe stammt noch aus der Zeit der Christenverfolgungen, heidnische Tyrannen ließen sie an glaubenstreuen Christinnen vollziehen. Ich finde, wir müssten um der Barmherzigkeit Christi willen endlich darauf verzichten.«
Beide schüttelte es vor Grauen. »Die von Georg Hund 1601 entworfene Nachrichterordnung sieht diese Folter für Frauen aber ebenso wie das Spießen oder Pfählen für Männer vor und dabei soll es nach Maximilians Willen auch bleiben«, flüsterte Alberta. Eine Blässe überzog ihre Wangen und sie drängte mit aller Macht den Gedanken zurück, was der Herzog ihr wohl antäte, so er ihren Rollentausch mit Rupert jemals herausfände.
Sie ließen das garstige Thema ruhen und widmeten sich lieber der bevorstehenden Reise zum Heiligen Vater nach Rom. Dabei musste die Frage der Geschenke an den Papst und die Kurienmitglieder genauso erörtert werden, wie die Anzahl der Bediensteten sowie der Pferde, die man unbedingt bräuchte.
Maximilian hatte seinem geschätzten Geheimen Rat seine allergnädigste Erlaubnis erteilt, sich die benötigten Reittiere aus dem herzoglichen Gestüt bei Graßlfing auszuwählen. Dies kam einer großen Ehre gleich, denn der Fürst liebte seine wertvollen, dort gezüchteten Pferde über alles.
KAPITEL 25
25. Juli 1611, in der Residenzstadt München
WOLFGANG FRIEDRICH, GRAF zu Mangfall-Pechstein, und seine Gemahlin, die Gräfin Eleonora, waren nach München gekommen, um Alberta vor ihrer Abreise nach Rom noch einmal zu sehen.
»Uns war bewusst, meine Liebe, dass du keine Zeit mehr haben würdest, vor dem Aufbruch dein Zuhause aufzusuchen. Weil deine Mutter große Sehnsucht nach dir hatte, haben wir
uns kurzfristig entschlossen, zu dir nach München zu kommen«, brummte der Graf. Sentimentalitäten schätzte er nicht besonders. Er gab sich alle Mühe, so zu tun, als sei dies allein der Wunsch Eleonoras gewesen …
Die junge Frau umarmte ihre Eltern. Sie freute sich ehrlich, die beiden zu sehen. Ihr Vater, beinahe fünfzig Jahre alt, war in den letzten Monaten fast vollständig ergraut. Außerdem erschien ihr der bisher so aufrecht gehende Mann ein wenig gebückt.
Die Mutter hingegen, mit nunmehr sechsundvierzig Jahren, war immer noch eine schöne Frau mit dunklem, vollem Haar, das sie zu einer kunstvollen Hochfrisur aufgesteckt trug. Nur ihre Taille war nicht mehr ganz so schlank wie früher, und um Mund und Augen entdeckte die Tochter Fältchen, die ihr zuvor nie aufgefallen waren. Auch die Haut ihres einst so glatten Halses - soweit man ihn über der gefältelten Halskrause sehen konnte - zeigte Spuren des beginnenden Alters.
»Wann werde ich wohl die ersten Anzeichen des Älterwerdens an mir entdecken?«, stellte sich Alberta die bange Frage. Ehe sie so recht begonnen hatte, schien ihre Jugend auch schon verstrichen …
»Deine Geschwister lassen dich sehr herzlich grüßen, Alberta.« Eleonora, deren Akzent auch nach fast drei in Bayern verbrachten Jahrzehnten die italienische Contessa verriet, umarmte ihre Älteste, die ihr in der männlichen Kleidung immer noch fremd war. Daran würde sie sich vermutlich nie gewöhnen.
»Fritz und Gusti sind gewiss wieder ein schönes Stück gewachsen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe«, vermutete Alberta. Die Eltern bestätigten dies für den vierzehnjährigen Friedrich August. Auguste Friederike hatte indes mit sechzehn ihre endgültige Körpergröße schon erreicht. Zur Überraschung
ihrer ältesten Schwester war sie zudem verlobt. Der künftige Ehemann war Conte Fabrizio, mit fünfundzwanzig der zweitälteste Sohn von Oheim Serafino und Tante Paolina D’Annunzio-Malvi - und damit gleichzeitig ihr Vetter.
»Es gab eine ganze Reihe von Bewerbern um ihre Hand«, verkündete die Mutter mit hörbarem Stolz. »Unter anderem
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