Die Hexengraefin
Leben zu genießen, solange es währte. Manche suchten Halt im Glauben, andere fielen ganz von ihm ab.
Bildungsstand und Herkunft spielten dabei keine Rolle. In jeder Bevölkerungsschicht gab es Tiefgläubige, ja Bigotte, und daneben vollkommene Atheisten. Was hingegen blühte, war der Aberglauben einerseits und auf der anderen Seite der unbändige Wunsch nach Erkenntnis und das Streben nach Wissen aller Art.
Von Hexenwahn und Aberglauben Besessene lebten quasi Tür an Tür mit großen Entdeckern, Erfindern und Philosophen, wobei besonders Frankreich sich im positiven Sinne hervortat.
Französische Sprache und französische Lebensart hatten sich inzwischen an allen Höfen, auf allen Adelssitzen sowie beim wohlhabenden Bürgertum als allein selig machend durchgesetzt.
Das galt auch für Ruhfeld, sodass sich Bernard de Grandbois bei seinem Schwiegervater und bei seinem Schwager sehr wohlfühlte; dennoch begann er allmählich darauf zu drängen, die Heimreise nach »Beauregard« anzutreten.
»Mein Verwalter ist zwar ein guter und verlässlicher Mann, aber immerhin gehört der Herr ins Haus, n’est-ce pas, Chérie«, meinte er, und Adelheid hatte dem nichts Vernünftiges entgegenzusetzen. Aber sie wartete doch so sehnsüchtig auf die große Überraschung …
Inzwischen hatte sie durch beständiges Bohren aus dem Helen herausgebracht, dass die junge Heilerin noch immer starke Gefühle für ihren Bruder Hasso hegte, aber ihr Stolz würde es niemals zulassen, nur die Mätresse eines Adeligen zu sein.
Adelheid rieb sich im Geist die Hände. Hoffentlich konnte sie noch, solange sie auf Ruhfeld weilte, die Riesenüberraschung miterleben, welche dem Helen bevorstand.
Der kleine Fritz kränkelte ein wenig und sofort war Helene zur Stelle, um ihn zu behandeln. Ein Getränk war wohl zu kalt gewesen und das Knäblein hatte Magenbeschwerden und Durchfall.
Helene versorgte den Kleinen liebevoll, trug ihn stundenlang auf dem Arm spazieren und päppelte ihn mit Haferbrei und Kamillentee wieder auf, wobei sie ihm lustige Kinderlieder im heimischen Dialekt vorsang.
Sogar der alte Graf war gerührt, als er das hübsche Mädchen mit seinem Enkel auf dem Schoß im Park sitzen sah und beobachtete, wie sie das Kind liebkoste und zum Lachen brachte.
»Gäb eine prächtige Stiefmutter ab, die junge Frau«, brummte er, und Madame Salome, die nicht von seiner Seite wich, lächelte vielsagend.
Für gewisse Zeit schien so etwas wie eine Art Waffenstillstand in Deutschland zwischen dem katholischen und dem protestantischen Lager zu herrschen, aber zum Aufatmen war es viel zu früh.
Die kleine Pause verdankte man den Verhandlungen, die Albrecht von Wallenstein immer noch eigenmächtig und zum großen Missvergnügen des Kaisers mit der Gegenpartei führte. Insgeheim unterstützten ihn viele der Habsburganhänger, aber laut wagte fast niemand seine Partei zu ergreifen.
Die meisten fürchteten den nach wie vor mächtigen Bayernherzog und Kurfürsten Maximilian, der auch »nicht zögern würde, gegen die eigenen Leute das Schwert zu ergreifen«, wie er neulich in seiner Residenzstadt München, in die er im Triumphzug wieder eingezogen war, vollmundig verkündigt hatte.
KAPITEL 101
HASSOS SOHN WAR BALD WIEDER GESUND und munter, und sein Großvater Ferfried lud ein zum großen Fest auf Ruhfeld. Alle Freunde und Bekannten wurden wiederum geladen und jedermann wunderte sich, dass so kurz nach dem letzten rauschenden Fest erneut ein solches stattfinden sollte.
»Aus gegebenem Anlasse« hatte auf der Einladungskarte gestanden, und damit konnte niemand etwas anfangen. Obwohl: Merkwürdiger- und ganz unüblicherweise war nicht nur Ferfried als Gastgeber genannt, sondern auch seine bewährte und ansehnliche Wirtschafterin, Madame Salome Bürgi.
Von einer bevorstehenden Hochzeit war nicht die Rede, gestorben war auch keiner und eine Geburt hatte ebenfalls nicht stattgefunden.
»Dass du dich erneut so bald in Unkosten stürzen willst, verwundert mich sehr«, sagte sein alter Freund, Graf Rüdiger von Hohlfeld, nachdem er schwerfällig von seinem Pferd gestiegen war.
»Sag schon, alter Fuchs, was ist es denn diesmal, was dich so erfreut, dass du uns unbedingt daran teilhaben lassen willst?«
»Wartet ab, meine Freunde«, wehrte der Graf alle neugierigen Fragen ab. Sein Sohn Hasso aber lächelte nur stillvergnügt in sich hinein.
Der auf das Prächtigste herausgeputzte und geschmückte Große Saal war voller erlauchter Gäste, die
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