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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Kaisers hatte auflehnen wollen. Er versuchte lediglich Frieden zu schließen, weil er einsah, dass dieser schreckliche Krieg von den deutschen, katholischen Fürsten niemals zu gewinnen wäre.
    »Die Hoffnung auf einen baldigen Frieden ist damit wohl endgültig gestorben«, bemerkte Graf Hasso trocken.
    »Ja, wie es aussieht, wird der Wahnsinn weitergehen«, war auch Ferfrieds Ansicht.
    »Zur Freude und Genugtuung meines Königs und seines Ersten Ministers Richelieu«, fügte Bernard de Grandbois sarkastisch auf Deutsch mit starkem französischem Akzent hinzu. »Beide begrüßen die Schwächung Habsburgs auf das Lebhafteste – ganz gleich, wie viele Menschen dabei noch sterben werden.«
    »Schon allein der Vorwurf, Wallenstein wäre von der Sterndeutung abhängig und von daher bereits verdächtig, zeigt die ganze Scheinheiligkeit seiner Kritiker«, befand Hasso ärgerlich.
    »Das ist richtig. Obwohl von der Kirche offiziell verboten, setzen sich selbst hohe kirchliche Würdenträger, wie etwa Kardinal Richelieu, darüber hinweg und lassen sich vor allen wichtigen Entscheidungen von ihren Astrologen beraten«, mischte sich der Comte ins erregt geführte Gespräch.
    »Niemand bedauert es mehr als gewisse hohe Kirchenmänner, dass der kaiserliche Hofmathematiker Johannes Kepler bereits verstorben ist. Er genoss den besten Ruf als Astronom und Astrologe seiner Zeit. Dass er ein überzeugter Protestant gewesen ist, schreckte seine katholischen Arbeitgeber keineswegs ab«, wusste Ferfried.
    Und sein Schwiegersohn fügte lebhaft hinzu: »Monsieur Kepler hat sich einmal spöttisch geäußert: ›Mutter Astronomie würde gewiss verhungern, wenn nicht ihre Tochter Astrologie das Brot für sie beide verdienen würde.‹ Trotz aller Kritik an der Astrologie übte er die Sterndeuterei mit wissenschaftlicher Akribie und größter Sachkenntnis aus.«
    Von Wallenstein war allgemein bekannt, dass er immer stärker in eine Abhängigkeit von seinem Astrologen Senno geriet. Ihm machte man das zum Vorwurf, obwohl eigentlich alle führenden Männer dieser Zeit Rat bei Sterndeutern suchten.
    Diese Herren waren zumeist Dilettanten, die mit allerlei »Hokuspokus« von ihrem Unvermögen abzulenken suchten. Dieser erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts entstandene Begriff, diente als Zauberwort und ging auf die Verballhornung des lateinischen Satzes bei der Verwandlung des Brotes in den Leib des Herrn zurück: »Hoc est enim corpus – Dies ist mein Leib«. Geistliche waren über den Gebrauch dieses Wortes höchst erbost, aber nichtsdestotrotz hatte sich »Hokuspokus« bereits in der Bevölkerung durchgesetzt als die Ausübung verquerer Praktiken, geeignet, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.
     
     
    Es folgten stille Tage auf Ruhfeld. War es die Ruhe vor dem Sturm? Niemand konnte sagen, wann und wo der Krieg erneut unmittelbar mit seinen Gräueln zuschlagen würde.
    Mitten in diese Stille schlug eine Nachricht ein wie eine Bombe: Der Dompropst, Monsignore Damian Rothaus, nach dem Bischof der höchste Geistliche im Bistum Straßburg, war vom Turm des Freiburger Münsters gestürzt …
    In aller Herrgottsfrühe, noch bei Dunkelheit gegen vier Uhr morgens hatten ihn – einen grässlichen Schrei ausstoßend – die ersten Marktfrauen auf dem Münsterplatz herunterfallen sehen. Wie »eine große schwarze Krähe« wäre er herniedergeflattert und vor dem Eingangsportal auf dem Steinpflaster mit zerschmettertem Kopf und zerbrochenen Gliedmaßen zu liegen gekommen.
    Wie eine weggeworfene Puppe im schwarzen Talar hatte er in einer riesigen Blutlache dagelegen, den Mund noch wie in einem letzten, entsetzten Schrei geöffnet.
    Die herbeigeeilten Marktleute, beschäftigt mit dem Aufbauen ihrer Stände, seien wie gelähmt gewesen. Stumm und vor Entsetzen starr hatten sie glotzend neben der Leiche verharrt, ehe schließlich ein beherzter Krämer die Stadtwache alarmierte.
    Wie war es dazu gekommen? Selbstmord schlossen die kirchlichen Behörden umgehend aus. Sich selbst zu töten war eine Todsünde, und diese beging kein Kirchenmann, versuchte man dem Volk weiszumachen – außerdem wäre kein Abschiedsbrief des Geistlichen gefunden worden.
    Gestoßen hatte ihn aber auch mit Sicherheit keiner; es war außer ihm niemand auf dem Turm gewesen – außer dem Türmer. Dieser aber war ein alter Mann, der nachts schlecht schlief und daher für ein geringes Entgelt freiwillig den Ausguck nach Feinden übernommen hatte. Er wäre körperlich gar nicht in der

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