Die Hexenjagd von Salem Falls
schlechte Laune.«
»Der arme Schatz kann dich laut und deutlich hören, und er hat höllische Kopfschmerzen«, knurrte Jordan.
»Das St.-Bride-Syndrom«, murmelte Selena.
Thomas ging in die Küche und nahm eine Packung Milch aus dem Kühlschrank. »Wo liegt denn eigentlich das Problem bei dem Typen? Im ›Diner‹ hat er doch einen ganz netten Eindruck gemacht.«
»Das hat Ted Bundy auch«, brummte Jordan.
»Ted Bundy hat da gearbeitet?« sagte Thomas. »Wahnsinn!«
Jordan setzte sich auf. »Was erzählt man denn so in der Schule?«
»Alles Mögliche. In der letzten Pause ging schon das Gerücht, daß er ausgebrochen ist und ein Mädchen aus der Oberstufe vergewaltigt hat.«
»Er ist nicht ausgebrochen, und es besteht der Verdacht, daß er eine Vergewaltigung begangen hat.«
»Wirklich erstaunlich«, sagte Selena, »sein Mandant bringt ihn auf die Palme, und trotzdem ist er jede Sekunde im Job.«
»Erstaunt mich überhaupt nicht, schließlich hat er mir auch schon mal Hausarrest aufgebrummt, obwohl er behauptet, daß er mich lieb hat.« Thomas setzte sich auf den Fußboden und griff nach der Fernbedienung des Fernsehers, aber Jordan war schneller.
»Moment noch«, sagte er. »Erzähl mir mehr.«
Thomas seufzte. »Na ja, einige haben Mitleid mit Gillian.«
»Und andere?«
»Die denken, was sie immer gedacht haben … daß sie ein Miststück ist.«
»Ein Miststück? Ich dachte, Gillian Duncan hat Aussicht, zur beliebtesten Schülerin des Jahres gewählt zu werden«, sagte Selena.
Thomas lachte auf. »Wahrscheinlich würde sie sich lieber vorher umbringen. Sie hält sich für was Besseres, und das läßt sie jeden spüren. Sie steckt nur mit ihren drei Freundinnen zusammen und sorgt dafür, daß die sich nicht mit dem gemeinen Volk abgeben. Als ich Chelsea das erste Mal angesprochen habe –«
»Wer ist Chelsea?«
Thomas bedachte ihn mit einem genervten Blick. »Dad. Das weißt du genau.«
»Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein.«
»Jedenfalls, Gillian hat sich total aufgeregt, hat Chelsea einreden wollen, ich wäre doch reine Zeitvergeudung. Ich meine, wenn du mich fragst, hat Gillian sich das auch zum Teil selbst eingebrockt – ständig hat sie auf andere runtergeschaut, ist doch klar, daß das irgendwann mal jemandem gehörig gegen den Strich geht. Als ich das Chelsea gesagt hab, hat sie gemeint, das wäre ganz anders gewesen.«
»Ach ja?«
»Sie war dabei, als Gillian weinend aus dem Wald gekommen ist … danach. Und sie hat gesagt, Gillian hätte kaum ein Wort rausgekriegt. Und daß sie noch immer völlig fertig ist.«
Jordan ballte die Faust um den feuchten Waschlappen. Er warf Selena einen kurzen Blick zu, sah dann wieder seinen Sohn an. »Thomas«, sagte er, »finde raus, was Chelsea weiß.«
Der Briefumschlag steckte zwischen der Stromrechnung und einem Flugblatt, das für George W. Bush als zukünftigen Präsidenten warb. A DDIE P EABODY stand darauf in einer Schrift, die sie nicht kannte. Eine Briefmarke fehlte; jemand hatte den Umschlag persönlich eingeworfen, während sie bei der Arbeit war.
Sie schlitzte das Kuvert mit dem Finger auf.
Der Inhalt war ein Stück Stoff, dasselbe Blau wie das T-Shirt, das Jack am Morgen seiner Verhaftung getragen hatte. Addie klappte es auf und sah, daß in seiner Handschrift ein Wort darauf geschrieben war.
Loyal .
Sie drehte und wendete den Stoff und versuchte, sich einen Reim auf diese kryptische Nachricht zu machen. Warf er ihr vor, daß sie nicht zu ihm stand? Bat er sie um Unterstützung?
Sie zermarterte sich das Gehirn. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Vielleicht handelte es sich gar nicht um ein Adjektiv.
Das Klingeln des Telefons riß Jordan aus dem Tiefschlaf. Er stieß den Radiowecker um, als er nach dem Hörer griff, und zog ihn halb übers Bett. »Hallo«, sagte er barsch.
»Ein R-Gespräch für Sie aus der Strafanstalt von Carroll County«, sagte eine Computerstimme. »Übernehmen Sie die Kosten?«
»Ach, verdammt«, brummte Jordan.
»Bitte wiederholen Sie –«
»Ja«, brüllte Jordan. »Ja, ja!«
»Danke.« Im nächsten Moment war St. Bride in der Leitung. »Jordan? Jordan, sind Sie da?« Jack war aufgeregt, außer Atem.
»Beruhigen Sie sich. Was ist los?«
»Ich muß Sie sprechen.«
»Gut. Ich komme morgen vorbei.«
»Nein, ich muß Sie sofort sprechen.« Jacks Stimme schnappte über. »Bitte. Ich erinnere mich. Ich erinnere mich wieder.«
»Bin schon unterwegs«, sagte Jordan.
Eine Stunde später stand Jack vor
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