Die Hexenjagd von Salem Falls
tun, als meine Partner auf ihre Zeugungsfähigkeit hin zu testen.« Sie spähte ins Okular. »Wie geht’s Ihrer süßen Kleinen?«
»Molly … Prächtig. Ich kann gar nicht beschreiben, wie wunderbar sie ist. Also müssen Sie sich wohl selbst was Kleines zulegen.«
»Wieso meinen völlig normale Leute bloß immer, sie müßten andere zur Fortpflanzung animieren, bloß weil sie selbst gerade Eltern geworden sind.«
»Das ist Darwinismus, glaube ich. Die eigene Art muß erhalten bleiben.« Unruhig stand Matt auf. »Außerdem müßt ihr Labortypen ab und an daran erinnert werden, daß es noch nettere Methoden gibt, DNA zu reproduzieren, als in einem Thermozykler.«
»Danke, Mom«, sagte Frankie trocken. »Sind Sie extra gekommen, um mit mir über mein jämmerliches Liebesleben zu sprechen, oder gibt es noch einen anderen Grund?«
»Die Beweismittel in dem Vergewaltigungsfall, die Charlie Saxton hergebracht hat –«
»Dazu bin ich noch nicht gekommen, Matt. Gestern hatte ich einen Gerichtstermin und heute vormittag –«
»Ich will Sie ja nicht drängen.« Er lächelte verlegen. »Na ja, jedenfalls nicht mehr als sonst. Ich wollte Ihnen nur sagen, wonach ich suche.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte Frankie mit unbewegter Miene. »Sperma?«
»Genau. Auch das Blut an der Bluse interessiert mich. Und die Erde von den Schuhen.« Er wandte sich von dem Labortisch ab. »Also, krieg ich die Ergebnisse in zwei Wochen?«
»Drei«, murmelte Frankie, während sie durchs Mikroskop schaute.
»Ach, kommen Sie – zehn Tage, das wäre prima.« Matt zog sich zurück, bevor sie widersprechen konnte. »Danke.«
Frankie blickte nicht vom Mikroskop auf. »Das sagen sie alle«, seufzte sie.
Addie wußte selbst nicht, woher sie den Mut nahm, an der dicken Tür der Strafanstalt von Carrol County zu klingeln.
Ein Vollzugsbeamter öffnete. »Ja bitte?«
»Ich … ich…«
Ein freundliches Lächeln breitete sich im Gesicht des Mannes aus. »Das erste Mal hier? Kommen Sie herein.«
Er führte Addie in einen Vorraum, wo eine kleine Menschenschlange vor einem in Glas eingefaßten Schalter wartete. »Stellen Sie sich da an«, sagte der Wärter.
Addie nickte. Die Besuchszeit war mittwochs abends von sechs bis neun. Jetzt graute ihr vor dem Augenblick, da sie Jack gegenüberstehen und um Worte ringen würde.
Nachdem sie mit Matt Houlihan gesprochen hatte, war ihr klargeworden, daß sie erst Jacks Version der Geschichte hören mußte, bevor sie irgend jemand anderem glaubte.
Sie hatte Angst, daß er sie belügen würde, daß ihre ganze gemeinsame Zeit lediglich eine Lüge gewesen war. Genauso große Angst hatte sie davor, daß er ihr die grausame Wahrheit sagen würde. Denn dann würde sie sich eingestehen müssen, daß sie ihr Herz einem Mann geschenkt hatte, der ein Vergewaltiger war.
»Der nächste, bitte!«
Addie rückte auf, als ein Summton erklang und der Mann vor ihr durch eine Gittertür ging. Sie blieb vor einem Gefängnisbeamten stehen, dessen Gesicht sie an eine mißgestaltete Kartoffel erinnerte. »Ihr Name?«
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Addie Peabody.«
»Der Name des Häftlings, den Sie besuchen möchten?«
»Oh. Jack St. Bride.«
Der Beamte sah auf einer Liste nach. »St. Bride darf keinen Besuch empfangen.«
»Er darf keinen –«
»Er ist in Einzelhaft.« Er blickte ihr über die Schulter. »Der nächste, bitte!«
Aber Addie rührte sich nicht von der Stelle. »Wie kann ich mit ihm Verbindung aufnehmen?«
»Telepathie«, schlug der Beamte vor, dann wurde Addie zur Seite gedrängt.
Als Strafverteidiger hatte Jordan reichlich Erfahrung mit Verlierertypen, die davon überzeugt gewesen waren, daß man ihnen vorenthalten hatte, was ihnen zustand. Es war nicht seine Aufgabe, über sie oder ihre falsche Selbsteinschätzung zu urteilen. Aber noch nie hatte Jordan sich mit einem Mandanten herumschlagen müssen, der sich so zielstrebig ins eigene Verderben stürzte – und das nur, weil er angeblich Gerechtigkeit verlangte. Als wieder ein Trupp Gefangener, die vom Sport kamen, an ihm vorbeiwollte, rückte er mit seinem Klappstuhl etwas näher an die Zellentür, durch deren Klappe er mit Jack konferierte. »Es sind Klamotten, Jack«, sagte Jordan müde zum x-ten Mal. »Bloß Klamotten.«
»Wenn ich diese Gefängniskluft anziehe«, entgegnete Jack mit dünner Stimme, »bin ich einer von denen. Es sind nicht bloß Klamotten. Durch sie werde ich ein Teil des Systems.«
»System«, wiederholte Jordan.
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