Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
vereinzelte Worte fanden den Weg zu meinem Dämmerbewusstsein: „ Wunder - noch Leben in ihr!“ „ Ja keinem melden, sonst - “ „ - Pferdewagen nach Rauhrode zu Trude!“ „Richtig, nur Trude - “ Dann eiliges Hin und Her, und ich versank wieder in schwarze Nacht.
K alt, eiskalt - Alles in mir kaputt, besudelt. Ekel. Ich erwachte halbwegs, wollte und musste speien - allen Dreck rausspeien, auch die Haare rausreißen! Raus aus mir, raus, raus!
I ch wurde in ein Haus getragen - auf etwas Weiches gebettet .
„Wann habt ihr die Ärmste gefunden?“
„Heute früh, Trude, nicht weit von meiner Scheune.“ „Sie - nur erbrochen - “ „ - Kleidung vom Leib ge . . - Haare ausgerauft!“
F insternis, Dämmerbewusstsein. Wildes Aufbegehren - Haare aus dem Kopf reißen!
Wieder erlösendes Dunkel . . .
P lötzlich erlebte ich einen halbwegs lichten Moment. Ich gewahrte an meinem Bett eine mir innig vertraute Frau, dicht über mich gebeugt. Ohne sie mit meinen verletzten Augen sehen zu können, fühlte ich, wie liebevoll sie mir zugetan war. Nun erhob sie sich und flüsterte Trude zu: „Behüte meine Tochter, ich werde es dir vergüten.“ Nach kurzer Pause fuhr sie im Flüsterton zu Trude fort: „Sie muss zu ihrem eigenen Schutz außer Landes gebracht werden, ich werde alles in die Wege leiten. Danach komme ich wieder, alleine, und dann erkläre ich dir, wohin sie transportiert werden soll. Und bitte, Trude, zu niemanden ein Wort.“
„Ihr könnt Euch auf mich verlassen, gnädige Frau.“
Nun hörte ich sie mit flinken Schritten den Raum verlassen. Gleich drauf vernahm ich von draußen her eine mir vertraute, besorgte Männerstimme: „Und? Ist sie es?“
Die Frau schluchzte, ehe sie antwortete: „Nein, sie ist es nicht.“
Warum hat sie nein gesagt? Warum verleugnet sie mich?
Z WEITER T EIL
Kapitel 3
Ab Spätsommer 1546 - Unter Nonnen
Hildegard von Bingen
Tochter des Ritters Hildebert in Beckelheim a. d. Nahe. Geb. 1098
I ch war fratzenhaft zerschunden, kahlköpfig und geistig umnachtet.
E rst nach etlichen Jahren habe ich von Tante Anna, der Äbtissin des Klosters Odenborn, erfahren, dass mich Trude in Begleitung eines Schutzritters über verschwiegene Wege zur Schwäbischen Grafschaft Zollern gebracht hatte, wo ich von medizinkundigen Benediktinerinnen empfangen wurde.
Aus Sicherheitsgründen blieb den Klosterbewohnern, einschließlich mir selbst, meine wahre Identität verschlossen. Ich war hier das Waisenkind Viktoria, genannt Tora. Allein zwei Personen hatte Mutter brieflich über mich und den eigentlichen Grund meines hiesigen Gewahrsams unterrichtet - die Äbtissin Anna und den Grafen Segbrecht von Zollern, einen Verwandten meiner Mutter, der nahe des Klosters in der Zollernburg residierte und nun auf Mutters Bitte betreuend seine Fittiche über mich ausbreitete.
Wie ich von Tante Anna weiß, bewohnte ich seit Beginn eine Stube im Erdgeschoss des Dormitoriums, des Schlafgebäudes der Nonnen. Dort umsorgte mich während der ersten Wochen Tag und Nacht mit Hingabe die mir besonders zugeneigte Schwester Magda, und meine ärztliche Betreuerin war Schwester Palmatia.
Noch aber dämmerte ich dahin, mein Bewusstsein glich dem eines schlummernden Säuglings.
B is ich einen belebenden Impuls empfing. Schwester Magda drückte mich so innig an ihre Brust, dass warme Strahlen ihres Glücks mein Gemüt erreichten und es wiedererweckten.
Darauf begann mein Gemüt sich zu regen, sachte erwachten wieder Empfindungen in mir: Ängste, Behagen und Vorsicht zunächst. Es war ein Umhertasten meines vom Schlummer- in den Traumzustand geratenden Bewusstseins.
Nur allmählich wurden alsdann meine Empfindungen reichhaltiger, und es gesellten sich Willensimpulse hinzu, die ich nicht beherrschte, ich wurde von ihnen oft hin- und hergerüttelt, war ihnen ausgeliefert.
Da ich auf Anweisung meiner medizinischen Betreuerin Palmatia nunmehr täglich für kurze Zeit mit verschleiertem Kopf und Gesicht von dieser oder jener Nonne an der Hand durch das Klostergelände geführt wurde, erstreckten sich meine Eindrücke und Reaktionen auch auf die Außenwelt. Zu einigen der mich umgebenden Personen fühlte ich mich hingezogen, gegen andere empfand ich Abneigung, wehrte mich oft sogar durch Aufschreien und Austeilen von Schlägen gegen Berührungen von ihnen. Vorwiegend gegen die der kräftigen Priorin Notburga, deren männliches Erscheinungsbild Gefahr in mir alarmierte. Ähnliche Panik löste die mich mütterlich
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