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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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unbenutzt aus. In jenem zur Rechten lag jemand gänzlich unter den Decken verborgen, auf dem zur Linken gleich bei der Tür saß aufrecht und mit offenem, rotblondem Haar eine junge Frau. Sie war zwei oder drei Jahre älter als Antonia, mit einem hübschen Gesicht und ausgeprägt weiblichen Rundungen, die sich unter dem Leinenhemd deutlich abzeichneten. Umso mehr fielen die hässlichen dunklen Flecken ins Auge, die an ihrem Hals schimmerten.
    «Was starrst mich so an?»
    «Was hast du da – am Hals?», flüsterte Antonia.
    «Die Pestilenz ist es nicht.» Vrena lachte leise, aber es klang alles andere als fröhlich. «Eher sind die Flecken der Grund, warum ich hier bin.»
    «Und warum bist du hier? Bist du auch eine Waise?»
    «Wie kommst du darauf? Mein Vater ist der Breisacher Ratsherr Jacob Mittag.» Stolz klang aus ihren Worten – oder war es Verachtung? «Ich bin hier, weil ich genug von den Mannsbildern hab. Der Mann, den ich hab heiraten sollen, hat die Hochzeitsnacht nicht abwarten können und mich mit Gewalt nehmen wollen. Als ich mich gewehrt hab, hat er mich gewürgt. Danach hab ich meinem Vater gesagt, dass ich weder den noch einen andern will, und so haben sie mich heute früh hierhergebracht.»
    «Dann bist du freiwillig hier?»
    Vrena lachte wieder. «Mehr oder weniger. Besser im Kloster unter Frauen als draußen Freiwild für die Kerle. Du schläfst übrigens im Bett neben mir.»
    Antonia war verwirrt. Zum einen über Vrenas unverblümte Offenheit, zum andern darüber, dass es tatsächlich Frauen gab, die der Männer wegen in ein Kloster flüchteten. Ihr Blick fiel auf das ihr zugewiesene Bett. Jemand hatte dort einen Reisesack abgelegt.
    «Was ist das?»
    «Das ist von deinen Leuten. Die schöne Bettwäsche auch. Könnt grad von Edelleuten stammen. Bist du vielleicht gar eine Grafentochter?»
    «Nein. Mein Vater war ein Edelknecht, Dienstmann eines Ritters.»
    «Dann ist er tot?»
    «Ja. Meine Mutter auch.» Mehr wollte sie hierzu nicht sagen. Die Person im Bett gegenüber grunzte und begann sich unter den Decken zu bewegen.
    «Du Ärmste. – Willst du die Sachen nicht auspacken?»
    Antonia nickte müde und öffnete den Beutel. Eine Waschschüssel kam zum Vorschein, dazu eine hübsche Kanne mit dem Wappen der Holdersteiner und ein hierzu passender Becher. Auch an Leibwäsche, an ein zweites Gewand in schlichtem Dunkelblau und an ein zweites Paar Schuhe war gedacht.
    «Das wirst du kaum brauchen.» Vrena hatte sich neben sie gestellt und sah ihr neugierig über die Schulter. «Ab morgen wandeln wir in geistlichem Habit.»
    «Was heißt das?»
    «Wir tragen eine einfache schwarze Tunika, wie alle Kandidatinnen.»
    «Und das Haar? Schneiden sie uns das Haar ab?», fragte Antonia erschrocken.
    Vrena strich ihr über die Locken. «Keine Sorge, das wirst du noch ein Weilchen behalten dürfen. Unsere Tracht wird ja auch noch nicht geweiht.»
    «Haltet ihr jetzt endlich eure Schnattergoschen?», schnauzte es aus dem Bett gegenüber, und ein gutmütiges, rundliches Gesicht schaute hervor, das vergeblich versuchte, streng dreinzublicken. «Ich will schlafen.»
    «Ist ja schon gut, Ursel. Das Mädchen wird wohl noch seine Sachen auspacken dürfen.»
    «Das geht doch auch ohne Geschwätz, Kinder.»
    Antonias Hand griff in etwas Weiches – da hatte ihr der Ritter doch wahrhaftig einen pelzgefütterten Umhang für den Winter mitgegeben! Sie war gerührt. Als sie den Umhang herauszog, fiel eine hölzerne Schatulle aus dem Kragen. Darin lagen die Augengläser ihres Vaters, die er zuletzt zum Lesen und Schreiben getragen hatte, und ein Zettel mit den Worten:
In Erinnerung an deinen Vater, Gott habe ihn selig. Markwart von Holderstein.
    Jetzt kamen ihr doch noch die Tränen. Sie schob Vrena zur Seite, kleidete sich aus, verstaute Mantel und Kleidung in der Truhe und schlug die Bettdecke zurück. Währenddessen hatte Vrena das Licht gelöscht. Antonia starrte in die Dunkelheit, die Hände fest um die Brillenschatulle gepresst. Von draußen war jetzt das Rauschen eines Baches zu vernehmen, ein Pferd schnaubte leise.
    «Wie heißt du überhaupt?», hörte sie Vrena fragen.
    «Antonia. Antonia von Oberthann.»
    «Schlaf wohl, Antonia.»
    «Du auch.»
    Aber sie fand keinen Schlaf. Voller Bangen dachte sie daran, was in den nächsten Wochen auf sie zukommen würde, und fühlte sich verloren wie ein kleines Kind. Den einzigen Trost sah sie in ihrer Schwester. Und ein bisschen in Vrena. Auch wenn ihr diese Zimmergenossin

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