Die Himmelsbraut
zurück.
Nachdem ein Knecht ihnen Gepäck und Pferde abgenommen hatte, waren sie der Pförtnerin über den weitläufigen Platz gefolgt, der rechts des Hauptwegs lag. Hier sah es nicht viel anders aus als auf dem Holdersteinischen Gestüt. Um eine Viehtränke auf der Mitte des Platzes gruppierten sich außer dem wahrhaft vornehmen Gästehaus einige flache Gebäude, in denen Antonia mit fachkundigem Blick Remise, Schmiede und Marstall erkannte. Noch viel weiter erstreckte sich die Klosteranlage allerdings in die andere Richtung: Ein ungepflasterter Weg führte mitten hinein in ein Gewirr von schmalen und breiten, niedrigen und himmelhohen Bauten. Das alles also gehörte zu einem einzigen Kloster!
Der Hauptweg selbst lief vom Torbau aus schnurgerade auf eine zweite, niedrigere Mauer zu, die das Kloster ganz offensichtlich in seinem Inneren weiter unterteilte. Die Wagendurchfahrt dort hinein war verschlossen, eine Fußgängerpforte gab es nicht.
Stattdessen leitete ihre Führerin sie zu einem Durchlass, der sich zwischen Remise und einem etwas schäbigen Wohnhaus, dem Pilgerhospiz, befand. Mit einem großen Schlüssel öffnete die Frau eine schmale, niedrige Tür und ließ sie ein in einen gepflegten Blumengarten. Er wäre schön zu nennen gewesen – hätten sich dahinter nicht die grauen, schmucklosen Mauern des Klausurgebäudes erhoben, ein in sich verwinkelter, unnahbarer Bau.
Markwart von Holderstein hatte ihr unterwegs erklärt, dass die Klausur der meisten Konvente in einem Geviert angelegt war, das zur einen Seite das Gotteshaus, zu den anderen Seiten die Nutz-, Wohn- und Schlafräume umfasste. Von der Kirche auf der ihnen abgewandten Seite war nur ein hölzerner Dachreiter zu sehen, und aus dem Flügel, auf den sie jetzt zuschritten, ragten ihnen vier Gebäudeteile entgegen.
«Dort seht Ihr das Äbtissinnenhaus.» Die Pförtnerin deutete auf den ganz rechten Trakt, der mit seinen bunten Fensterläden als einziger ein wenig anheimelnd aussah. «Ihr werdet bereits erwartet.»
Während des Nachtessens dann, von dem Antonia kaum einen Bissen angerührt hatte, war ihr immer wieder dieselbe bange Frage aufgestoßen, nämlich wo in aller Welt sie in diesem riesigen Gemäuer unterkommen würde. Nach der Abendandacht, die in der Hauskapelle der Äbtissin stattfand, hatten sich Mutter Lucia, der Propst und die Gäste verabschiedet und waren plötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen. Da wurde Antonia klar, dass der Abschied von ihrem alten Leben begonnen hatte. Schweigend hatte die Alte namens Käthe ihr ein Zeichen gegeben und sie aus dem Andachtsraum in die Klausur geführt. Es war bereits stockdunkel gewesen, und wie Hasen, die Haken schlagen, bogen sie um etliche Ecken. Kein menschlicher Laut war zu hören, die Mauern und Durchgänge waren in die Schwärze der Nacht getaucht und strahlten eisige Kälte aus. Verängstigt hielt sich Antonia dicht an Käthe und den schwachen Schein ihrer Lampe. Fast hätte man meinen können, das Kloster sei ausgestorben.
Sie erreichten einen steinernen Treppenaufgang, der im oberen Stockwerk mit einer Tür verschlossen war. Das Klirren von Käthes Schlüsselbund ließ Antonia zusammenzucken. Die entweder stumme oder äußerst missmutige Laienschwester sperrte auf und leuchtete den Weg durch einen schmalen Gang aus, von dem in gleichmäßigem Abstand zahlreiche Türen abgingen. Auch auf diesem Gebäudeteil lastete eine fast unheimliche Stille. Als die Dielenbretter unter ihren Schritten zu knarren begannen, klang das in Antonias Ohren wie lautes Donnergrollen.
Käthe öffnete die letzte Tür, nickte ihr zu und verschwand ohne ein weiteres Wort mit ihrer Lampe in der Hand. Aus der Ferne hörte Antonia sie die Tür im Gang verriegeln. Ein kalter Schauer durchfuhr sie.
«Ja, wir sind eingesperrt!», durchdrang ein Flüstern die Dunkelheit der Kammer. «Willkommen im Kloster.»
Vor Schreck blieb Antonia fast das Herz stehen.
«Wer ist da?»
«Keine Angst. Bin weder Gespenst noch Einbrecher. Ich heiß Vrena und bin auch Anwärterin aufs Noviziat. Jetzt mach schon die Tür zu, es zieht gewaltig.»
Antonia tat wie ihr geheißen. Sie tastete sich in das dunkle Zimmer, bis sie mit dem Schienbein schmerzhaft gegen eine Bettlade stieß. Da endlich leuchtete der Schein einer Kerze auf. Der Raum war eng, seine Einrichtung bestand lediglich aus vier Betten – zwei links, zwei rechts an der Wand – sowie zwei Truhen am Ende des schmalen Durchgangs. Die beiden hinteren Betten sahen
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