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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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verloren abseits der Gruppe. Mit wachsendem Erstaunen beobachtete sie, wie kühl sich Vrena von ihren Eltern und den übrigen Erwachsenen verabschiedete. Nur die Kinder schloss sie in die Arme.
    Antonia hätte sie gern gefragt, was in ihr vorging, als sie nun ihrer Novizenmeisterin zurück in den Kreuzgang folgten. Im Arm hielt Vrena einen Korb mit Geschenken, die Antonia nicht ohne einen Anflug von Neid betrachtete: ein hübscher Weinkrug mit einem versilberten Becher, dazu ein Marienbild und eine bunt bemalte Holzfigur des heiligen Vitus.
    Durch eine unscheinbare Tür gelangten sie in ein steinernes Treppenhaus, das Antonia nie zuvor betreten hatte, und von dort weiter ins Obergeschoss. Hinter einer weiteren Tür zog sich links und rechts ein schier endloser schmaler Gang. Mutter Petronella wies nach links.
    «Dort drüben, genau über dem Kapitelsaal, befindet sich unser Nonnendormitorium. Der Flur führt aber noch weiter, bis hin zur Nonnenempore. Er ist also auch euer Weg zu den täglichen Chorgebeten. Nun kommt, ihr Novizinnen schlaft hier zur Rechten.»
    Sie bog nach rechts ab und führte sie durch eine offene Tür in ihren Schlafsaal. Der Raum, der sich nach Antonias Empfinden über Schul- und Arbeitsstube befinden musste, war mit zehn Betten bestückt, zwischen denen jeweils eine schlichte Holzkiste Platz fand. An zwei gegenüberliegenden Wandseiten gab es eine Reihe kleiner Fenster, so hoch droben allerdings, dass man sich hätte auf einen Schemel stellen müssen, um hinauszusehen.
    Mutter Petronella wies ihnen zwei Betten zu, die weit voneinander entfernt standen. «Dort schläft Schwester Vrena, hier Schwester Antonia. Als Neue schlaft ihr zwischen den älteren Novizinnen.»
    Antonia trat an ihre Bettstatt und öffnete neugierig den Kistendeckel.
    «In den Kisten ist alles, was ihr braucht», ließ sich die Novizenmeisterin vernehmen. «Messer, Griffel und Schreibtafel, Nadel und Faden sowie ein sauberes Tuch. Obenauf findet ihr euer persönliches Brevier und euren Rosenkranz. Ein zweites Gewand sowie ein zweites Paar Strümpfe und Schuhe holt ihr euch heute Nachmittag in der Kleiderkammer ab. Ist etwas schmutzig, bringt ihr es zum Waschen.»
    «Darf ich Euch etwas fragen, Mutter Petronella?»
    «Nur zu, Schwester Antonia. Sprich.»
    Verdutzt sah Antonia sie an, so fremd war es ihr noch, als Schwester angesprochen zu werden.
    «Wo sind meine Sachen hingekommen? Die, die in meiner Truhe lagen. Und die schöne Bettwäsche.»
    «Das Armutsgelübde erlaubt kein eigen Hab und Gut. Alles sei allen gemeinsam, und keiner nenne etwas sein Eigen, steht geschrieben. Wir haben deine Dinge in Verwahrung genommen, für die Zeit des Noviziats.»
    «Auch die kleine Schatulle? Darin befand sich ein Andenken an meinen Vater.»
    Die Novizenmeisterin schien nachzudenken. Dann seufzte sie leise. «Du hängst noch zu sehr an allem Weltlichen. Im Geiste und nur kraft deines Herzens solltest du deines Vaters gedenken. Aber sei’s drum – ich werde dir die Schatulle bringen lassen, für die Zeit deiner Prüfung im Noviziat.»
    Da reichte ihr Vrena den Korb.
    «Dann nehmt das hier nur auch gleich mit Euch. Ich brauch das alles nicht.»
    «Brav, mein Kind. Aber ich höre Ärger aus deiner Stimme, stattdessen solltest du mit Gleichmut verzichten.»
    Dabei war Antonia überzeugt, dass sich ihre Freundin nicht über den Verzicht ärgerte, sondern über die Gaben selbst. Wie konnte es sein, dass sie so wenig für ihre Familie empfand?

13 Abtei Marienau, im Februar 1521
    E s brauchte keine zwei Tage, und Antonia und Vrena hatten begriffen, dass im Novizenhaus, unter der Alleinherrschaft von Mutter Petronella, ein anderer Wind wehte als zuvor bei den Laienschwestern.
    Schon in der ersten Nacht vermochte Antonia nicht einzuschlafen, obwohl sie von den vielen Eindrücken sehr erschöpft war. Die erste Enttäuschung war gewesen, dass man ihr nicht ein Bett neben Vrena oder ihrer Schwester zugewiesen hatte. Dazu wagten die Novizinnen kein einziges Wort miteinander zu sprechen, obwohl die Meisterin in einer der Zellen des Nonnendormitoriums schlief. Eine Lampe brannte bis zum Morgen und warf ihre unruhigen Schatten gegen die Wand, dazu drückte ihr der Gürtel gegen die Tunika, denn sie mussten bekleidet schlafen. Sie fühlte sich so verloren wie lange nicht mehr.
    Bei Tage wurde ihr dann klar, warum die strenge nächtliche Ordnung auch ohne Mutter Petronella gewährleistet war. In ihrer Abwesenheit hatte nämlich eine gewisse Agnes

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