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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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den Abtritt. «Ich geh als Erste, dann kann ich euch von unten her helfen. Du gehst als Letzte, Antonia. – Wo ist deine Schwester?»
    «Sie betet!»
    Vrena schüttelte nur den Kopf, dann stieg sie mit den Füßen zuerst durch die Luke, bis nur noch ihre Fingerspitzen am Fensterrahmen zu sehen waren.
    «Habt keine Angst. Es geht gut!», hörte man ihre Stimme von draußen. In diesem Augenblick begannen die Kirchenglocken zu dröhnen. Feueralarm!
    «Das Kloster brennt!» Dorothea begann zu weinen, und Antonia schlug sich die Hände vors Gesicht. Ihre eigene Schwester würde bei lebendigem Leibe verbrennen! Sie rannte zurück in den Schlafsaal, doch Magdalena war verschwunden.
    «Jetzt komm schon!» Dorothea, die ihr gefolgt war, zerrte sie zurück zur Latrine. Eine nach der anderen zwängten sie sich durch das Fenster, zwischen Schluchzern hörte man manchen Schmerzensschrei. Zuletzt hangelte sich Antonia durch die Luke, tastete mit ihren Füßen nach dem Holzdach, das den Abwasserkanal überspannte, und ließ sich hinabgleiten. Vrena, die auf dem schrägen Dach kauerte, half ihr, von dort hinunter aufs Gras zu springen.
    Da standen sie nun, barfuß, mit offenem Haar und nur mit ihrer Tunika bekleidet, zwischen den Blumenbeeten vor dem Südflügel. Ein eisiger Wind fuhr zwischen den Mauern hindurch und brachte den Brandgeruch mit sich. Das Feuer musste auf der anderen Seite der Klausur toben, im Laientrakt oder beim Kirchenportal.
    «Laufen wir in den Garten zum Fischweiher», befahl Vrena, «da sind wir sicher. Am besten über den Kirchplatz, dort gibt es einen Durchschlupf in der inneren Mauer.»
    Sie halfen sich gegenseitig über das niedrige Mäuerchen, das den Blumengarten vom Kirchplatz trennte, und rannten los in die Dunkelheit. Nach wenigen Schritten prallte Antonia gegen eine maskierte Gestalt, die offenbar ebenfalls fliehen wollte. Sie schrie auf, die teuflische Maske glitt zu Boden und gab das Gesicht eines jungen Kerls frei, der sie aus trunkenen Augen anglotzte.
    Vrena war mit einem Satz bei ihr. Der Eindringling rannte davon, als sei nun der wahrhaftige Satan hinter ihm her.
    «Diese Erzlumpen», stieß Vrena hervor. «Siehst du die Fackel an der Klostermauer? Da hängt ihre Strickleiter. Vielleicht erwisch ich den Kerl noch. Los, lauf zu den andern.»
    «Nein, Vrena, bleib hier!»
    Doch das Mädchen war schon auf und davon, von der Dunkelheit verschluckt. Antonia begann zu schluchzen. Statt ihren Gefährtinnen hinterherzurennen, blieb sie stehen und sah sich um. Vor dem Krankentrakt neben dem Kirchenportal loderte tatsächlich ein Feuer in den Nachthimmel. Als sie begriff, dass nicht das Klausurgebäude, sondern ein Holzschuppen davor brannte, wurde ihr Schluchzen vor Erleichterung noch lauter. Derweil bildete sich auch schon eine Menschenkette bis hin zum Mühlbach, die Löscheimer wanderten blitzschnell von Hand zu Hand.
    «Lieber Gott, ich danke dir!», stieß sie hervor und ließ sich auf die Knie fallen.
    Im nächsten Moment zog sie jemand unsanft an den Haaren in die Höhe. Es war Camilla von Grüningen, die Priorin. In vollem Habit stand die rundliche kleine Frau vor ihr und schien nach Worten zu ringen.
    «Was für eine Nacht», stammelte sie schließlich, «was für eine Nacht. O Herr, führe uns wieder zur Ordnung zurück.»
    Sie holte tief Luft. Dann zupfte sie den Ausschnitt von Antonias Tunika zurecht, der ihr über die linke Schulter gerutscht war.
    «Was tust du hier draußen? Und wie siehst du überhaupt aus?»
    «Wir sind aus dem Schlafsaal geflohen. Weil es doch gebrannt hat.»
    Die Priorin kniff ihre Augen zu Schlitzen zusammen.
    «Wir? Was soll das heißen? Wo sind die anderen?»
    Antonia spürte, wie ihr die Kälte von den nackten Füßen in alle Glieder stieg.
    «Hinten bei den Gärten.» Ihre Zähne klapperten beim Sprechen gegeneinander. «Nur meine Schwester ist noch drin.»
    «Komm mit.»
    Camilla von Grüningen zerrte sie hinter sich her, durch die Laienpforte, die jetzt offen stand, hinein in den stockdunklen Kreuzgang, immer weiter, bis an den Treppenaufgang zu den Schlafräumen. Während die Priorin mit bebenden Händen nach dem richtigen Schlüssel an ihrem Bund suchte, konnte Antonia hören, wie der Schuppen unter Zischen und Knacken Stück für Stück in sich zusammenfiel.
    Die Priorin sperrte die Tür auf und schob Antonia ins Treppenhaus. Der Druck ihrer Hand auf Antonias Hüfte war hart und unangenehm.
    «Wo hängt denn nur wieder diese unselige Lampe?»
    Antonia

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