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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Magistra weiß.»
    Antonia spürte, wie ihre Freundin in sich zusammensank, für diesmal offenbar ehrlich erschüttert ob dieser Beurteilung.
    «Versteh mich nicht falsch, Vrena. Fröhlich und guter Dinge darf auch eine Ordensfrau sein – Gott bewahre uns vor Heiligen mit verdrießlichen Gesichtern!»
    Jetzt lachte die Äbtissin, was sie erheblich jünger wirken ließ.
    «Doch dürfen der nötige Ernst und eine gewisse Inbrunst nicht fehlen. Das Leben als Nonne stellt hohe Anforderungen: unermüdliche Exerzitien, Streben nach Versenkung, Gehorsam und demütiger Hingabe. Vor allem aber sind da all die Entbehrungen, etwas, das naturgemäß der Jugend besonders schwerfällt.»
    Sie trat zu ihnen, legte jeder von ihnen eine Hand auf die Schulter und betrachtete sie liebevoll. Dann strich sie Vrena aufmunternd über die Wange.
    «Inzwischen aber glaube ich fest, dass auch du, Vrena, den mannigfaltigen Anfechtungen während des Noviziats zu begegnen weißt, dass es dir gelingen wird, die Ordensgelübde zu halten. Ach ja: Auch im Lateinischen hast du große Fortschritte gemacht, wie ich gehört habe. Erst allerdings, nachdem wir unsere schlaftrunkene Aufseherin ausgewechselt hatten.»
    Sie zwinkerte ihnen zu wie ein Gassenjunge.
    «So haben also die Schwestern und ich heute bei der Kapitelversammlung beschlossen, euch zuzulassen für das Noviziat. An Mariä Lichtmess werden wir das große Fest der Einkleidung begehen.»
     
    Mit einer stummen Umarmung und Tränen in den Augen verabschiedeten sich Antonia und Vrena am Morgen zu Mariä Lichtmess von ihrer Zimmergenossin Ursel. Sie würden einander wohl kaum noch begegnen, und das sonst so fröhliche Gesicht der Wäscherin blickte traurig, selbst die lustigen Grübchen schienen verschwunden.
    «Ach herrje, wie soll ich’s nur ohne euch zwei beiden hier aushalten? Das wird ja stiller als auf dem Friedhof.»
    Danach geleitete die Laienmeisterin sie hinüber zum Kapitelsaal, der sich im Ostflügel der Klausur befand. Hier versammelte sich jeden Morgen nach der Prim die Ordensgemeinschaft, um die tägliche geistliche Lesung der Äbtissin zu hören und über die Angelegenheiten des Konvents zu beraten.
    Die hohe, zweischiffige Halle, die sie und Vrena nun erstmals betraten, zeigte die Erhabenheit einer Kirche. Schlanke Säulen, an denen die Lichtmesskerzen angesteckt waren, trugen das Sternengewölbe, das mit zwei farbenprächtigen Gemälden geschmückt war. Ihre Laienmeisterin führte sie vor die Stufen eines kleinen Petrusaltars an der Stirnseite des Raumes, wo sich ein hoher, prachtvoll geschnitzter Lehnstuhl befand, der Äbtissinnenstuhl. Dort erwarteten sie im Licht der Morgensonne, die durch die Maßwerkfenster schien, Propst Ignatius von Munterkingen und die Äbtissin. Auf den Bankreihen rundum hatten die Nonnen und Novizinnen andächtige Gesichter aufgesetzt, und Antonia kam sich plötzlich klein und nichtig vor. Ihr Blick suchte den ihrer Schwester. Magdalena strahlte sie ergriffen an, dann senkte sie den Kopf.
    Nach einem kurzen Gebet führte der Propst ihnen in nachdrücklichen Worten die Strenge der
regula benedicti
vor Augen und verwies auf die vornehmsten Ziele ihres Ordens: auf die immerwährende Klausur, den Verzicht auf persönliches Eigentum, die Aufgabe des eigenen Willens und schließlich die Verachtung alles Weltlichen, was auch die Trennung, die vollständige Ablösung von der eigenen Familie mit einschlösse. Ihre neue Mutter sei fortan Maria, die Mutter Gottes, ihre Familie der Konvent. Als Pater Ignatius seine Ansprache zum Abschluss brachte, wurde Antonia bewusst, dass er die Möglichkeit einer Rückkehr in die Welt, zum Ende des Noviziats, mit keinem Wort erwähnt hatte. Sie spürte, wie ihre Hände und Füße in den dünnen Lederschuhen eiskalt wurden, und fragte sich, ob sie das Richtige tat. Wäre eine ungeliebte Ehe mit Reinbolt Birkelnuss nicht vielleicht das kleinere Übel gewesen? Doch dann erinnerte sie sich an seine freudlose Erscheinung und seine Unbeholfenheit. Nein, mit einem solchen Mann an der Seite wäre sie niemals glücklich.
    Sie fuhr aus ihren Gedanken, als Bewegung in die Versammlung kam. In einer feierlichen Kerzenprozession, unter Glockengeläute und Gesang, zogen sie durch den Kreuzgang bis zu einer steinernen Treppe. Antonia ahnte, dass es hier zum Nonnenchor hinaufging, wo im Rahmen der Heiligen Messe die Einkleidungsfeier stattfinden sollte. Auch sie würde nun künftig ihre Gebete und Andachten auf dieser Empore verrichten. In

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