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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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einer Mischung aus Beklommenheit und dem Wunsch, endlich dazuzugehören, stieg sie neben Vrena und Mutter Petronella die Stufen hinauf.
    Der Dielenboden knarrte, als sich die Klosterfrauen zu ihren Chorstallen begaben: die Novizinnen zur linken, die Nonnen zur rechten Wandseite. Der Stuhl am nächsten zum Marienaltar war thronartig erhöht. Dorthin schritt Mutter Lucia, während ihre Stellvertreterin, Camilla von Grüningen, neben ihr Platz nahm. Letztere hatte Vrena und sie in strengem Tonfall angewiesen, beim Eingang stehen zu bleiben und zu warten.
    Nach einem Augenblick andachtsvoller Stille öffnete sich ein schmales Türchen, das ihr zuvor gar nicht aufgefallen war, und der Propst trat ein, in Begleitung zweier Ministranten. Im Arm hielt er das neue Habit für sie, alles in reinstem Weiß. Hinter ihm drängte Vrenas Verwandtschaft herein, aufgeregt tuschelnd. Antonia wusste mittlerweile, dass Laien nicht nur der Zugang zur Klausur, sondern erst recht zur Nonnenempore verwehrt war und dass selbst der Priester nur ausnahmsweise hier Einlass fand. Denn dieser Raum war allein dem Gottesdienst der Ordensfrauen vorbehalten. Doch heute war ein solch besonderer Anlass. Wie schon bei der Aufnahme sollte die Familie Zeuge der feierlichen Einkleidung zum geistlichen Stand werden. Der Anblick der festlich gewandeten Männer, Frauen und Kinder versetzte Antonia einen Stich – von Burg Holderstein war niemand gekommen. Wie sehr hätte sie sich gefreut, Markwart von Holderstein hier zu sehen! Und wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie bis zum letzten Moment gehofft, Phillip würde seinen Vater begleiten.
    Keine halbe Stunde später besprengte Pater Ignatius erst sie beide, dann das Novizinnenhabit, das er vor sich auf den Marienaltar gelegt hatte, mit Weihwasser. Dabei murmelte er undeutlich einige lateinische Worte vor sich hin. Unterdessen waren auch die Novizenmeisterin und die Äbtissin herangetreten und führten sie an die Stufen des Altars, wo ihnen ihre schwarze Tunika abgenommen wurde. Nur mit ihrem dünnen Hemd bekleidet, mussten sie sich vor dem Propst mit ausgestreckten Armen zu Boden werfen. Antonia spürte das raue, kalte Holz der Dielen unter ihrer Wange, zwischen halb geöffneten Lidern sah sie Vrena neben sich liegen, die ihr kurz zugrinste und dann die Augen schloss.
    Auf einen Wink der Priorin hin verließen alle Nonnen ihr Chorgestühl, umringten die Liegenden im Halbkreis, verharrten mit gebeugtem Knie, während Pater Ignatius den Heiligen Geist anrief. Antonia schloss nun ebenfalls die Augen und gab sich alle Mühe, so etwas wie Inbrunst oder Ergriffenheit zu spüren, doch in ihrem Herzen tat sich nichts. Stattdessen begann sie während der schier endlosen Gebete zu frieren, und als sie sich endlich kniend vor dem Propst aufrichten durften, versagten ihr fast die Glieder.
    Mit salbungsvollen Worten vollzog Pater Ignatius nun ihre Einkleidung zum Noviziat und legte ihnen den geweihten Habit um. Dann griff Mutter Petronella Antonia in ihr widerspenstiges Lockenhaar, zog es so straff nach hinten, dass es schmerzte, und knotete es im Nacken fest, bevor sie ihr das Gesicht mit dem Kopftuch umwand. Dasselbe tat sie mit Vrena. Kein Härchen durfte mehr zu sehen sein, als Pater Ignatius ihnen jetzt den Schleier aufsteckte.
    Zum Schluss umfasste er ihre Hände, die er mit den Ärmeln ihrer neuen weißen Tracht verhüllte, küsste und segnete sie mit dem Kreuzzeichen. So waren sie denn aufgenommen in der Klostergemeinschaft von Marienau. Ein letztes Mal besprengte der Propst sie mit seinem Weihwasserwedel, dann führte Mutter Petronella, fortan auch ihre Novizenmeisterin, sie auf die zugedachten Sitze im Chorgestühl. Antonia war mehr als erleichtert: Ihrer befand sich zwischen dem ihrer Schwester und ihrer Freundin Vrena!
    «Nun also habt ihr einen festen Platz in unserer Gemeinschaft», sagte Mutter Petronella auf Latein, und Tränen der Rührung liefen der sonst so schroffen Frau über die Wangen. Antonia hätte fast mit ihr geweint, indessen nicht aus Ergriffenheit, sondern vor Erschöpfung.
    Nach einer kleinen Ansprache des Propstes empfingen die frischgebackenen Novizinnen noch die Kommunion, dann zogen sie aus dem Nonnenchor aus. Vor dem Kirchenportal trafen sie wieder auf Vrenas Verwandtschaft. Es war an der Zeit, sich für immer von den leiblichen Eltern, von der eigenen Familie zu trennen. Dass für Antonia niemand gekommen war, schien den Klosterfrauen gar nicht aufzufallen, und Antonia stellte sich etwas

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