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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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über den Schädel geschlagen hat.»
    «Ich hab ihn nicht mehr erwischt, den Lump. Er war schon an der Leiter und dann weg. Aber erkannt hab ich ihn.»
    Sie schnaubte verächtlich, was sogleich in Husten überging. Antonia wartete, bis sie sich beruhigt hatte.
    «Jemand aus Breisach?»
    «Es war mein jüngerer Bruder.»
    Antonia sah sie verblüfft an. «Machst du jetzt einen Scherz?»
    «Ich scherze nie, wenn es um meine Familie geht. Deswegen bin ich dem Kerl ja nach, weil ich Gallus erkannt hab. Auf den Gedanken, zur Fastnacht ins Kloster einzubrechen, können nur er und seine vermaledeiten Saufkumpane kommen.»
    «Hast du das der Äbtissin gesagt?»
    «Nicht ihr, sondern der Priorin. Daraufhin durfte ich hierher in den Krankensaal.»
    Antonia war überrascht. Wie konnte man den eigenen Bruder verraten? Empfand Vrena denn gar nichts für ihre Familie?
    «Und nachdem dir dein Bruder entwischt ist, bist du mutterseelenallein in den Garten gegangen?», fragte sie weiter.
    «Erst war ich bei den andern, aber ich hab ihr aufgeregtes Geschnatter nicht länger ertragen. Deshalb bin ich weg und hab mich zwischen den Fischweihern auf die Bank gesetzt. Du hättest sehen sollen, wie wunderschön das war, als der Himmel aufriss und überall die Sterne geglitzert haben. Wie dann die Mondsichel über dem Eckartsberg stand. Für diese Stunden bin ich gern ins Loch gegangen. Irgendwann hab ich dann so gefroren, dass ich mich zu den Kühen ins Stroh gelegt hab. Wo mich am Morgen natürlich einer der Stallknechte gefunden und zur Äbtissin gebracht hat. Ich musste vor die Kapitelversammlung, und man hat mich mit Ruten gestrichen.»
    «Du Arme.»
    Sie schwiegen. Antonia hätte sie gern mehr über ihren Bruder, diesen Gallus, ausgefragt und warum er eine solche Bosheit getan haben könnte, aber sie wusste, dass Vrena nicht gern über ihre Familie sprach. Schließlich kehrte die Siechenmeisterin zurück und wies sie mit einer Kopfbewegung an, den Besuch zu beenden.
     
    Einige Tage später erfuhren sie, was es mit dem Brand auf sich gehabt hatte. Da Vrena ihren Bruder erkannt hatte, waren bald auch die anderen drei Übeltäter ausfindig gemacht, allesamt Söhne angesehener Bürger. Der Brand sei ein Unglück gewesen, so Gallus Mittag, man habe nach dem Fastnachtsumzug den Weißfrauen nur einen kleinen Schrecken einjagen wollen. Ein übermütiger Schabernack also, aus trinkseliger Laune heraus entstanden, und keiner von ihnen habe etwas Böses im Sinn gehabt. Dann sei unglückseligerweise einer von ihnen mit der Fackel ans Strohdach von diesem Schuppen geraten und sogleich habe es lichterloh gebrannt.
    In einer Beratung zwischen dem Breisacher Klostervogt, dem Schaffner Jacob Kerenberg, der Äbtissin und dem Propst wurde entschieden, die Bestrafung der jungen Männer dem Stadtgericht zu überlassen. Angesichts ihrer Jugend und Einfalt verurteilte man sie dazu, zur Sonntagsmesse am Kirchenportal des Münsters zu stehen und mit ausgestreckten Armen und einer Kerze in jeder Hand Buße zu tun, bis die Messe vorüber war. Dem Kloster wurde eine Sühnegabe von zwanzig Pfund Wachs je Frevler zugestanden sowie der umgehende Bau eines neuen Holzschuppens.
    «Die hätten an den Schandpfahl gehört und mit Rutenstreichen aus der Stadt gejagt», ereiferte sich Vrena. Antonia gab ihr recht, doch in Gedanken war sie längst nicht mehr bei dieser Geschichte. Mehr als zuvor schmerzte sie plötzlich die Erkenntnis, dass sie ihre eigene Schwester wohl auf immer verloren hatte.

14 Abtei Marienau, im Frühjahr 1521
    D ie grünlich schillernde Stubenfliege wanderte den Deckenbalken entlang, immer der Maserung nach. Wollte sie das Ende des Balkens erreichen, hatte sie noch eine erhebliche Strecke vor sich. Aber sie wollte nicht, flog stattdessen zum nächsten Balken, von dort auf die Steine der unverputzten Wand, gleich unterhalb des Kruzifixes, und hielt inne. Eine gottesfürchtige Stubenfliege also, dachte Antonia und stieß ein leises, bitteres Lachen aus.
    Sie lag rücklings auf ihrem Bett, hörte neben sich Agnes schnarchen. Es war die Stunde nach dem Mittagessen, die ihnen als Erholung zugestanden wurde. Heute hatte es mit dem Ende des vierzigtägigen Fastens ein besonders üppiges Sonntagsmahl gegeben, und bis auf Magdalena hatten sie sich alle den Bauch vollgeschlagen mit Geflügelpasteten, allerlei gebratenem Fisch und Butterkuchen. Ausnahmsweise durften sie auch schlafen während ihrer Mittagspause, was sonst einem schweren Vergehen gleichkam.

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