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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Predigten und Gebete in deutscher Sprache!» Sie schüttelte den Kopf. «Deine Arbeit habe ich der Äbtissin übergeben. Sie erwartet dich für nachher im Kapitelsaal.»
    Erschrocken starrte Antonia sie an. Mutter Petronella wies sie in die Ecke. «Dort bleibst du stehen, während wir die anderen Arbeiten besprechen. Vielleicht besinnst du dich ein wenig vor dem Gespräch mit der ehrwürdigen Mutter.»
    Keine zwei Stunden später, in ihrer Schulpause, schlich Antonia mit eingezogenen Schultern hinüber zum Kapitelsaal. Sie dachte daran, wie Vrena damals nach ihrer Nacht im Freien vor versammeltem Konvent dreimal mit Ruten gestrichen worden war. Womöglich würde ihr noch Schlimmeres blühen.
    Als sie unter den Fensteröffnungen vorbeikam, hörte sie die tiefe Stimme des Propstes. Antonia konnte nicht wiederstehen, innezuhalten und wenigstens für einige Augenblicke zu lauschen.
    «Ihr kennt meine Meinung zu diesem Thema: Dieser ganze Lerneifer widerspricht doch dem weiblichen Wesen und kann zu schlimmsten geistigen Verwirrungen führen. Reicht es nicht vollkommen aus, wenn eine einfache Nonne deklinieren und konjugieren kann, um die Psalmengebete richtig auszusprechen? Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Würde man die Beichte in der eigenen Sprache ablegen, würde sich das sündige Herz weitaus mehr öffnen.»
    Das erstaunte Gemurmel, das jetzt aufkam, nutzte Antonia, um durch den offenen Torbogen einzutreten.
    «Sieh da, unsere in Ungnade gefallene Novizin.»
    Ignatius von Munterkingen winkte sie herein und wies auf die Äbtissin, die vor dem Altar auf ihrem Lehnstuhl saß. Auf den Bänken rundum waren sämtliche Ordensfrauen versammelt und betrachteten mit gespannter Miene Antonia, die sich vorkam, als würde sie vor den Scharfrichter geführt.
    Wie man es sie gelehrt hatte, trat sie mit ausgestreckten Armen vor Mutter Lucia, um ihre Strafe zu empfangen. Dabei musterte sie deren Gesichtsausdruck: Sollte Zorn darin zu erkennen sein, hatte sie sich sogleich auf den Boden zu werfen und liegen zu bleiben, bis ein Segensspruch sie erlöste.
    Stattdessen begann Mutter Lucia zu lächeln.
    «Komm her, mein Kind, und sei ohne Furcht. Wir alle hier haben beraten, ob deine Betrachtungen im lateinischen Aufsatz eine Verfehlung darstellen, die gesühnt werden muss oder nicht. Pater Ignatius haben wir zu dieser Beratung hinzugezogen, auch er hat deine Ausführungen gelesen. Nun denn …» Sie räusperte sich. «Abgesehen von der Tollkühnheit deiner Schlussfolgerungen kann ich nichts Tadelnswertes, geschweige denn Ketzerisches entdecken. Meiner Ansicht nach hast du die Thematik verfehlt, nichts weiter. Dies allerdings mit exzellenten Formulierungen.»
    Antonia fiel ein Stein vom Herzen. Sie verneigte sich und stotterte einen Dank für die Milde dieses Urteils. Nach einem gemeinschaftlich gebeteten Vaterunser durfte sie in die Schulstube zurückkehren. Sie hätte laut singen mögen vor Erleichterung. Hatten die Worte der Äbtissin nicht fast ein Lob bedeutet? Konnte man darin nicht sogar eine Schmähung gegen die Novizenmeisterin erkennen, gegen deren übereifrige Strenge? So sah es wohl auch Mutter Petronella, denn als Antonia ihr wahrheitsgemäß von der Kapitelversammlung berichtete, verzog sie ärgerlich das Gesicht:
    «Der Nachsicht unserer Oberin zum Trotz warne ich dich, Antonia. Halte deinen Verstand im Zaun. Am Anfang ist das Wort, auch in der Ketzerei.»
     
    Mit dieser widrigen Geschichte mochte Mutter Petronella ihr vielleicht die Freude am Unterricht, nicht jedoch am Lernen verdorben haben. Im Gegensatz zu ihrer Freundin Vrena fand Antonia immer mehr Gefallen daran, und sie begann zu ahnen, dass einer Frau wohl nirgendwo sonst als in den Klöstern eine solche Bildung zuteil wurde – eine Erkenntnis, die ihr Klausur und Schweigegebote ein klein wenig erträglicher werden ließ.
    Wie im Übrigen auch die Musik- und Singstunden, die die Vorsängerin des Konvents übernommen hatte. Zweimal die Woche übten sie im Nonnenchor. Antonia liebte die Gregorianischen Gesänge. So schlicht und formenstreng sie waren, so gewaltig waren sie auch. Wie eine einzige Stimme erfüllte der Gesang den Raum, mal in lichten Höhen, mal in tiefer Ruhe, und schien alle Grenzen aufzuheben, alle Mauern und Gitter einzureißen.
    Mit solchen Dingen also tröstete sich Antonia über das Gefühl, eingesperrt zu sein, hinweg. Womit sie sich indessen nicht abfinden konnte, war, dass Magdalena gleichsam aus dem irdischen Leben verschwand.

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