Die Himmelsbraut
Antwort hatte. «Weißt du, ob sie inzwischen das ewige Gelübde abgelegt hat?»
«Nein, noch nicht. Weder sie noch Magdalena. Das ist wohl erst zum Jahresende vorgesehen.»
Eine Welle der Erleichterung durchflutete ihn. Zugleich spürte er wieder Wut aufkommen.
«Warum lügt ihr mich eigentlich alle an? Warum behandelt ihr mich wie ein dummes Kind?»
«Das fragst du noch?» Kilians Stimme klang sanft. «Sieh dich doch an, wie du dich aufführst, wenn die Sprache auf Antonia kommt. Wolltest mich ja eben fast umbringen. Jeder auf Holderstein weiß, dass du sie liebst. Und Vater will diese Verbindung eben nicht. Er will wahrscheinlich was Besseres.» Er holte Luft, als ob ihn diese lange Rede erschöpft hätte. «Warum hältst du nicht endlich um die Hand dieser Emiliane von Eberstein an?»
«Emiliane! Emiliane!» Phillip schnaubte. «Warum setzt Vater ein solches Geschwätz in die Welt? Nur weil ich ein paarmal mit ihr getanzt hab oder mit ihr ausreiten war? Sie ist ein Kindskopf. Hübsch und maßlos verwöhnt. Wenn sie den Mund aufmacht, kommt nur ein Kichern heraus. Würdest du so eine zur Frau wollen? Ja? – Ach was, du lebst ja ohnehin nur für deine Rösser.»
«Ganz davon abgesehen», setzte Kilian nach, «weißt du überhaupt, ob Antonia dich haben wollte?»
Nein, das wusste er nicht. Gar nichts mehr wusste er von Antonia. Er schloss die Augen und versuchte, sie sich vorzustellen. Mit ihren langen Beinen, die ihn immer an die Fohlen im Frühjahr erinnerten, ihrem widerspenstigen Haar, das in der Sonne wie Kupfer schimmerte. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Ihr Bild, vor allem ihr Gesicht, verblich immer mehr. Ob sie noch immer von der Sommersonne diese kleinen Sommersprossen um die Nase bekam? Wahrscheinlich eher nicht, wo sie doch tagein, tagaus im Kloster eingesperrt war.
«Ich werde fortgehen von Neu-Eberstein», murmelte er.
Dieser Gedanke war ihm eben erst gekommen. Seines Alltags als Knappe war er schon seit geraumer Zeit überdrüssig geworden. Es war zwar angenehm, viel auf Reisen zu sein und etwas von der Welt zu sehen. Und er liebte die Falkenjagd, die er erst am Grafenhof kennengelernt hatte. Indessen suchte er weder Erfolg bei Turnieren, um dort Preisgeldern nachzujagen oder an Fürstenhöfen vorstellig zu werden, noch wollte er das Herz einer reichen Erbin oder jungen Witwe erobern. Am allerwenigsten verlangte ihn danach, eines Tages auf dem Schlachtfeld seinem Herrn zur Ehre zu verenden. Die Waffenübungen mit Armbrust und Lanze, das Messen mit anderen im Gebrauch von Schild, Schwert und Streitaxt – all das war ihm mittlerweile zuwider. Dazu kamen diese aufgesetzten Tischmanieren an den meisten Höfen, die affigen Tänze bei Gesellschaften und das Hofieren der Damen und der Ranghöheren, das leere Geplauder beim Schachspiel, bei den sommerlichen Kahnpartien. Er hatte das alles satt.
«Wie das?», fragte Kilian. «Deine Zeit als Knappe ist doch noch lange nicht vorbei. Du bist erst gut ein Jahr dort.»
«Und wenn schon. Rittertum und Ritterehre passen nicht mehr in diese Zeit. Sieh dich doch an – du rackerst dich ab in deinen mit Stallmist verschmierten Stiefeln wie ein besserer Bauer. Und Vater versucht verzweifelt, unsere marode Burg vor dem Verfall zu retten.»
«Was also hast du vor?»
«Ich werde studieren.»
Auch das war ihm gerade erst in den Sinn gekommen. Genau das würde er tun. An eine Universität gehen und die Jurisprudenz studieren, wie einst Graf Bernhard und dessen Sohn Wilhelm. Und wenn sein Vater ihn nicht unterstützen wollte, würden es die Grafen tun. Dessen war er sich sicher nach all den Gesprächen mit ihnen am Kaminfeuer.
Nur noch Wilhelms Hochzeit mit Johanna von Hanau-Lichtenberg wollte er abwarten, die für November angesetzt war, und danach seinen Dienstherrn um Entlassung bitten. Ritter Wendel von Rothenbach würde ihn verstehen.
Verstohlen wischte er sich eine Träne aus dem Gesicht.
«Ehrlich gesagt», Kilian half ihm auf die Beine und betrachtete ihn voller Mitgefühl, «weiß ich nicht, warum unser Vater gegen Antonia ist. Ihr beide, ihr passt doch zueinander wie der Wind zum Meer.»
Unvermittelt zog er Phillip in die Arme.
«Hör zu, Bruderherz», fuhr er fort. «Was ich dir jetzt sage, hast du nicht von mir. Schwörst du mir das?»
«Ja. Mein Ehrenwort.»
«Antonia ist in Breisach, bei den Cistercienserinnen von Marienau.»
18 Abtei Marienau, am Donnerstag auf Bartholomei 1521
W as führt Euch zu uns, Junker?», fragte dumpf die
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