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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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schnell besorgt, und die Kannen würde er in der Weinschenke am Krautmarkt füllen. Aber mit der Aussicht, dass er sich beim abendlichen Besuch bei Meister Luginsland an seiner eigenen Zunge verschlucken würde, hatte er plötzlich alle Zeit der Welt. Er streifte auf dem Fischmarkt umher, wo der Neckarfisch in der Hitze zu stinken begann, schaute in die Werkstatt des Messerschmieds, von dem er zu gern eine Klinge hätte, und stolperte über einen Karren, vor den ein altes Mütterchen ihren Köter gespannt hatte, der Streuner giftig anknurrte.
    »Vergelts Gott«, sagte sie, als er ihr eine Münze als Almosen zusteckte. Wenn Heinrichs Börse auch dadurch leerer wurde, konnte ihm doch das Stückchen Himmelreich nicht schaden, das er für sich selbst damit erwarb.
    Die Werkstatt Luginsland war nicht weit weg vom Krautmarkt. Er dachte an Lena, die jetzt sicher Martha half, das Essen vorzubereiten, an ihre leuchtenden Haare und ihr ansteckendes Lachen, und das Herz tat ihm dabei weh. Er machte einen großen Bogen um die Webergasse, und plötzlich fand er sich in einer Menschenmenge wieder, die eilig dem Holzmarkt im östlichen Teil der Stadt zustrebte. Er ließ sich treiben, mitziehen, wie von einer Welle, der er nicht entkommen konnte – alles war besser, als an Lenas Haus vorbeizugehen, in dem der Tübinger Glasmaler saß, als gehörte es ihm bereits. Streuner nahm er auf den Arm, klein genug war er ja, und schob sich den Beutel mit den Pasteten auf den Rücken.
    »Der Dominikaner, er predigt wieder!«, hörte er Stimmen um sich und stand plötzlich in einem Menschenauflauf vor dem Mönch Ulrich von Teck, der auf den Stufen der Franziskanerkirche mit erhobenen Armen auf seine Zuhörer wartete. Fast wie Jesus, dachte Valentin verwundert. Es war erstickend schwül. Der Himmel, der den ganzen Morgen über blau geleuchtet hatte, bezog sich jetzt rasend schnell mit grauen Wolken. Über hundert Menschen drängten sich auf dem engen Holzmarkt zusammen. Valentin stand in der zweiten Reihe neben einem Gerbergesellen, dessen Schürze stank wie ein Misthaufen, der Marchthalerin, die nie ohne ausgesucht teuren Putz in die Stadt ging, und dem Gassenjungen Fredi, der ihm ungeniert auf die Füße trat, um etwas besser sehen zu können.
    »Mach Platz, du Tagebieb.« Er drängte ihn zur Seite.
    In was war er da bloß reingeraten? Valentin drehte sich um. Die Menschen standen dicht an dicht in der Hitze, ihre Gesichter bleich und leuchtend auf den Dominikaner gerichtet, der seine Schäfchen mit glühenden Augen musterte. Er hatte keine Chance zu entkommen! Und auf der Baustelle warteten die Steinmetze auf ihr Mittagessen!
    Als der Dominikaner zu sprechen begann, wurde es so still, dass Valentin spürte, wie der kleine Streuner in seinen Armen zitterte.
    »Hoffahrt!« Die Stimme war leise, weil es aber auf dem Platz so still war, dass man einen Nagel fallen hören konnte, drang sie an jedes Ohr. »Hoffahrt ist das, was da drin seinen Anfang nimmt.« Er drehte sich um und deutete auf die geschlossene Tür der Kirche. »Die Franziskaner vermessen ihr Fenster, um es neu verglasen zu lassen. Obwohl sie schon bunte Gläser haben. Ganz entgegen der Weisungen ihres Gründers, der nichts als Armut gepredigt hat. Aber nicht um sie geht es hier, sondern um euch. Meine Kinder, ich sage euch: Die Stimme Gottes ist leise in euren Ohren. Aber die des Verführers ist laut. Habgier bestimmt euer Leben. Falsch Maß messen die Bäcker ihrem Brot zu, und ein jeder zählt das Gold in seiner Schatulle, ohne an den Herrn und sein Leiden zu denken.«
    Der Mönch breitete die Arme aus, als wolle er sie alle an sich ziehen. Er will jeden von uns dem Höllenpfuhl entreißen, dachte Valentin beklommen und starrte vor seine Füße, ob sich nicht gerade da ein Abgrund auftat. Bruder Ulrich hatte die Kapuze zurückgeschlagen. Sein Kopf war schmal, die Wangen eingefallen, der Haarkranz rund um die Tonsur spärlich. Tief lagen die Augen in den Höhlen seines asketischen Gesichts. In seinem schwarzen Mantel und dem weißen Habit ähnelte er einer großen schwarzweißen Elster, die ihre gierigen Augen auf die Zuhörer richtete, wie auf lauter Golddukaten, um sie in ihrem Nest zu bunkern. Das stimmte nicht ganz, es waren Seelen, auf die er es abgesehen hatte, sündige wie die Valentins. Auf dass sie errettet werden.
    Hinter ihm drängten sich die Menschen eng an eng in der Mittagshitze und stöhnten, als die Worte des Mönchs sie trafen wie Pfeile.
    »Wie oft setzen wir

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