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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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gedrückt. Lena fühlte sich wie eine Fremde, und die Astern rochen nach Tod. Dazu kam, dass die guten Lederschuhe drückten, das Übergewand rund um die Brust spannte und sich unter den Achseln schon feucht anfühlte. Es war genäht worden, als sie dreizehn war und oben rum noch völlig flach. Lena seufzte. Morgen würde sie die dunklen Schweißflecken irgendwie herausreiben müssen. Hoffentlich ging der gute Stoff dabei nicht kaputt. Erfahrungswerte hatte sie keine, denn eine Gelegenheit, die guten Sachen anzuziehen, bot sich nur selten. Auf geht’s, dachte sie verbissen, rollte die Zehen in den zu kleinen Schuhen nach innen, drückte die Klinke und trat ein.
    Rund um die lange Tafel aus dunklem Eichenholz hatten sich die Gäste aus der hohen Geistlichkeit der Stadt versammelt, die gemeinsam mit ihrem Vater und dem fremden Glasmaler das Programm für das Chorfenster besprechen wollten. Meister Heinrich war in ein intensives Gespräch mit Lionel Jourdain vertieft, der den ganzen Nachmittag in der Kirche der Franziskaner verbracht hatte. Hin und wieder schüttelte ihr Vater verwundert den Kopf. Gegenüber saß Marx Anstetter und langweilte sich. Lena verdrehte die Augen. Der hatte hier doch nun wirklich nichts zu suchen. Überrascht stellte sie fest, dass außer dem kleinen, drahtigen Prior Johannes von den Franziskanern, der von einem grimmig blickenden, grauhaarigen Mitbruder begleitet wurde, auch der lange, dürre Dominikanerprior Balduin gekommen war. Sein Gesicht unter dem schwarzen Haarkranz war schmal und gelblich. Lena wusste, dass Renata ihm hin und wieder Medikamente für die Leber verkaufte. Neben ihm saß, eine Schreibtafel vor sich auf dem Tisch, Kilian, ihr Kinderfreund, der jetzt Novize bei den Dominikanern war und morgens in der Schule die Lausbuben plagte. Die Tonsur, um die sich seine braunen Locken ringelten, ließ ihn ganz fremd aussehen. Hin und wieder wanderte der glühende Blick des Priors zur Seite und streifte seine gebeugte Gestalt.
    »Hallo«, wisperte sie, aber Kilian nahm keine Notiz von ihr.
    Sie stellte den Krug auf die Anrichte neben der Tür und beugte das Knie vor dem Prior der Dominikaner. Einen Moment lagen seine dunklen Augen ohne Interesse auf ihr, dann reichte er ihr gleichgültig die Hand zum Kuss. Lena war froh, als sie sich wieder erheben konnte, denn seine Gewänder rochen nach Schweiß.
    »Hochwürden«, grüßte sie ihn, und er nickte herablassend. Dann wandte sie sich dem Obersten der Esslinger Franziskaner zu, der ihr fröhlich zuzwinkerte.
    »Wie war noch Euer Name, meine Tochter?« Seine Hand war kurzfingrig und stark wie die eines Handwerkers.
    »Magdalena«, beeilte sich ihr Vater zu erklären. »Sie ist mit Meister Marx hier verlobt.«
    »Wie reizend. Sicher ist sie der Sonnenschein Eurer späten Tage.« Prior Johannes zwinkerte ihr noch einmal zu, als ob er ahnte, wie unwohl sie sich fühlte, segnete sie und hieß sie aufstehen. Damit war das Essen eingeläutet.
    Reihum füllte Lena die Becher mit dem kühlen Weißwein aus ihrem eigenen Keller, der sich mit den guten Tropfen aus Burgund und vom Rhein locker messen konnte.
    »Ihr seht wunderschön aus«, raunte ihr der Tübinger Glasmaler zu. Mit dem vollen Becher in der Hand ähnelte er einem Kater, der von der Sahne genascht hatte und noch mehr wollte. Lena fragte sich, ob er es war, der sie in der Werkstatt beobachtet hatte.
    Auf dem Tisch dampfte knusprig braun der Kapaun und verbreitete einen köstlichen Duft. Marthas frisch gebackenes Brot ergänzte die Mahlzeit. Lenas Magen begann zu knurren. Doch bevor die Gäste dem guten Essen zusprechen konnten, öffnete sich unerwartet die Tür.
    »Ah, Meister Heinrich, da bist du ja endlich«, sagte Luginsland, stand auf und begrüßte seinen alten Freund. »Ich habe mir erlaubt, den Meister Parlei von der Marienkapelle einzuladen.«
    »Natürlich, natürlich.« Der Franziskanerprior nickte nachsichtig. »Die Planungen dürfen sich ruhig in der Stadt herumsprechen. Umso mehr Nachwirkungen unser Chorfenster hat, desto besser.«
    »Entschuldigt die Verspätung!« Meister Heinrich Parler rieb sich munter die Hände. Wie immer bauschte sich sein weißer Schopf rund um den Kopf wie ungesponnene Wolle. »Es lohnt sich immer, dich zu besuchen, Heinrich«, sagte er augenzwinkernd in Richtung seines Namensvetters und des Kapauns.
    Hinter ihm drückte sich Valentin durch die Tür und wusste nicht so recht, wohin mit seinen Händen. Die blonden Haare hatte er im Nacken zu einem

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