Die Himmelsmalerin
unser Heil auf eitlen Tand und Pomp. Wenn die Geldkatze voll ist, ist alles gut. Doch unser Herr sagt: ›Selig sind die Armen im Geiste.‹ Brüder und Schwestern, ich sage euch, Reue bedeutet Rettung.« Die Stimme des Mönchs tröpfelte weich und süß wie Honig auf seine Zuhörer nieder. Sein Blick blieb an der Marchthalerin hängen. Trug sie nicht zu viel Putz und Tand? Verunsichert wanderten ihre Hände zu der Perlenkette an ihrem Hals. »Und die gibt es nur durch die Vermittlung der Kirche.«
Weiter redete er in der Sprache des Volkes, legte für die Stadtbürger den Apostel aus, machte einen Umweg über die Evangelisten und ließ auch die Kirchenväter zu Wort kommen. Das dauerte, und noch immer war kein Ende abzusehen! Den Geruch von Schweiß und ungewaschenen Bruoches war Valentin zwar gewöhnt, jetzt aber drehte sich sein leerer Magen in der Hitze. Schweiß tropfte ihm den Rücken herunter. Aber die Leute standen wie angewurzelt, ohne Tumult würde er sich nicht rausdrängen können. Also blieb er stehen. Seine Gedanken wanderten weit fort, hin zu Lena, als plötzlich der dunkle Blick des Predigers an seiner Stirn kleben blieb wie eine Biene am Honig. Valentin lief es eiskalt über den Rücken. Jetzt hatte der Dominikaner ihn am Haken und schaute geradewegs in ihn hinein, wo es so viele Gedanken gab, die man besser versteckte!
»Gebt des Kaisers, was des Kaisers ist, aber Gott das, was ihm zusteht, sagt der Herr. Auch du kannst nicht der Diener zweier Herren sein, auch du musst dich entscheiden, nach welchem Wind du deine Fahne richtest. Gib nur acht, dass es die richtige ist und nicht bald Blut an deinen Händen klebt, denn dadurch verspielst du deine unsterbliche Seele.«
Starr vor Schreck taumelte Valentin einen Schritt zurück und trat dem Mann hinter sich auf den Fuß. Er drehte sich um. Der Fremde war kostbar gekleidet, fast einen Kopf größer als er, kräftig und schwarzhaarig. Und auch er starrte dem Prediger gebannt in die Augen.
»Verzeihung!«, stotterte Valentin, doch der andere nahm keinerlei Notiz von ihm. Streuner, den er aus Versehen auf die Rippen gedrückt hatte, fing an zu jaulen. Nur weg hier! Mit dem Mut der Verzweiflung tauchte Valentin unter dem Arm des Fremden durch.
Er schubste, den strampelnden Streuner noch immer im Arm, die Leute zur Seite und drängte sich durch die Menge, bis er wieder Luft holen konnte.
Schwer atmend blieb er stehen. Was konnte der Pater von ihm gewollt haben? Schließlich befolgte er fast immer alles, was Meister Heinrich von ihm verlangte, und einen weiteren Herren, den er betrügen konnte, gab es nicht. Blut klebte an seinen Händen? Konnte der Prediger etwa in seinem Kopf lesen, dass er den Tübinger am liebsten erwürgen würde? Vielleicht konnte er ja Kilian nach der Bedeutung des Bibelzitats fragen. Seit der sein Noviziat bei den Dominikanern angetreten hatte, wusste er eine ganze Menge über Gott. Es war wieder ganz still geworden.
»Was, meine Kinder, ist der Wille Gottes?«, hörte Valentin die leise Stimme des Mönchs hinter sich. Keine Ahnung, dachte er.
6
Sie hatte schon gedacht, sie würde sich nie loseisen können. Aber nach dem Mittagsgebet war es endlich so weit. Die Küchenarbeit war erledigt, Martha hielt ihren wohlverdienten Mittagsschlaf, und Vater Luginsland schätzte seine Vorräte an farbigen Gläsern, die der Burgunder für das Fenster benötigen würde. Anstetter und Jourdain waren beide verschwunden, der eine wahrscheinlich im Wirtshaus und der andere mit dem Altgesellen in der Kirche der Franziskaner, um das Gerüst für das Aufmaß des Fensters aufzubauen.
Erleichtert ließ Lena die Tür der Werkstatt hinter sich zufallen und schob die schwere Truhe, in der ihr Vater die Risse mit seinen Entwürfen aufbewahrte, unter die Klinke, falls der Tübinger unerwartet auftauchte. Dann trat sie seufzend an das Glasbild mit dem Besuch der Heiligen Drei Könige heran, das ihr Vater zum Bemalen vorbereitet hatte. Heute würde sie sicher keine Zeit dafür finden, an ihren Entwürfen für den Thron Salomonis weiterzuarbeiten. Aber die Könige mussten auch fertig werden. Ihr Vater hatte den Grundaufbau des Bildes auf eine Glasplatte gesetzt und mit Bienenwachs festgeklebt. Jetzt fehlte nur noch die Malerei, welche Umrisse, Körper, Gesichter, Augen und Haare bestimmte – die Seele des Glasbildes.
Sorgfältig rieb Lena das Schwarzlot fein und mischte es anschließend mit Wein und der richtigen Menge Harz. Sie hatte das so oft getan,
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