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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit weichen Blättern umwickelt war, vermutlich, damit sich die Tiere nicht wund scheuerten.
    »Woher kommen diese Pferde?«, fragte sie.
    Ihre Mutter sah nicht einmal in ihre Richtung, geschweige denn, dass sie geantwortet hätte, sondern fuhr wortlos fort, das Geschirr zu überprüfen.
    »Sie gehören nicht zu Nachtwind und seiner Herde, habe ich Recht?«, bohrte Arri weiter. Auch jetzt schien es im allerersten Moment so, als wolle Lea einfach nur weiter beharrlich schweigen, dann aber deutete sie zumindest ein Kopfschütteln an und rang sich zu einem einsilbigen »Nein« durch.
    »Dann gibt es noch mehr als diese eine Herde?«, fragte sie.
    Ihre Mutter war endlich fertig damit, den festen Sitz des Geschirrs zu überprüfen. Sie ging in weitem Bogen um den Wagen herum, tätschelte im Vorbeigehen die Nüstern eines der Tiere, was dieses mit einem zufriedenen Schnauben quittierte, und stieg dann mit einer raschen Bewegung auf die schmale Sitzbank am vorderen Ende des Gefährts. »Sie gehören Dragosz«, antwortete sie mit einiger Verspätung und in unwilligem Ton auf Arris Frage. Zugleich machte sie eine knappe Handbewegung auf den freien Platz neben sich.
    »Dragosz?«, wiederholte Arri, während sie gehorsam zu ihrer Mutter hinaufkletterte. Immerhin wusste sie jetzt schon seinen Namen. Er klang sonderbar, fand sie. Ganz anders als die Namen der Männer aus dem Dorf. Aber wenn sie versuchte, sich an sein Gesicht zu erinnern, dann musste sie zugeben, dass er auch irgendwie sonderbar ausgesehen hatte, wenngleich sie nicht in der Lage war, diesen Unterschied genau in Worte zu fassen.
    »Und wer ist er?«, fragte sie.
    Ihre Mutter warf einen langen, aufmerksamen Blick in die Runde, vielleicht, weil sie sich überzeugen wollte, dass sie nichts vergessen oder zurückgelassen hatte, eher aber wohl, weil sie nach jemand ganz Bestimmten Ausschau hielt. Arris Augen schweiften aufmerksam über das nahe Unterholz, und dann setzte sich der Wagen auch schon mit einem sanften Ruck in Bewegung und riss sie aus ihren aufgewühlten Gedanken.
    »Jemand, den du nicht kennst. Und den du auch nicht kennen gelernt hättest, wenn es nach mir ginge. Wenigstens jetzt noch nicht.«
    »Aber.«, begann Arri, aber Lea unterbrach sie sofort und in unwilligem Ton. »Schweig jetzt«, sagte sie. »Ich will jetzt nicht reden. Wir haben noch Zeit genug dazu. Wir haben einen langen Weg vor uns.«

17
    Bis spät in den Nachmittag hinein fuhren sie in gemäßigtem, aber gleichmäßigem Tempo nach Osten, ohne dass ihre Mutter auch nur ein einziges Wort gesprochen hatte. Auch ihr Gesicht blieb während der ganzen Zeit vollkommen ausdruckslos und starr. Arri warf ihr dann und wann einen verstohlenen Blick aus den Augenwinkeln zu - der Lea natürlich nicht verborgen belieb -, verfiel aber darüber hinaus in dasselbe verstockte Schweigen wie sie. Ihre Mutter war immer noch übelster Laune, das spürte sie trotz der vollkommenen Ausdruckslosigkeit, die sie wie eine Maske über ihr Gesicht gestülpt hatte. Aber es war nicht nur Zorn oder der Ärger über ihren Ungehorsam, der sie zwang, ihre Pläne so überstürzt zu ändern. Da war noch mehr. Arri kannte ihre Mutter gut genug, um zu spüren, dass sie schwere Sorgen plagten. Vielleicht Angst.
    Und schließlich war es auch Arri, die das immer drückender werdende Schweigen nicht mehr ertrug. Den ganzen Nachmittag über waren sie durch eine ständig wechselnde Landschaft gefahren. Die weite, nur von einigen wenigen, in kleinen Gruppen wachsenden Bäumen unterbrochene Grasebene war einer sumpfigen Flusslandschaft gewichen, durch die sich der Wagen nur mühsam und äußerst vorsichtig seinen Weg hatte bahnen können, dann war es ein gutes Stück - weit weniger gefährlich, dafür aber umso langsamer - am Rande dichter Wälder vorbeigegangen, in denen die Zeit schneller voranzuschreiten schien, denn ein Großteil der Blätter hatte sich schon goldgelb gefärbt oder lag bereits als allmählich verfaulendes Laub am Boden, und schließlich wieder eine weite, flache Ebene, auf der nichts anderes als Gras und kümmerliches Gebüsch wuchsen.
    Einmal waren ihnen mehrere Wisente begegnet, die ihrer Gegenwart aber nur flüchtig Beachtung schenkten und nicht einmal die Mahlzeit unterbrachen, die ihnen das noch immer saftig wachsende Gras bot. Arri betrachtete die großen, kräftigen Tiere mit den mächtigen Hörnern mit angemessenem Respekt, aber auch der Neugier, die sie aufgrund der großen Entfernung, an der sie an ihnen

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