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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das passieren würde, und wahrscheinlich sogar darauf gewartet hatte. Vielleicht hatten die Götter ihrer alten Heimat, zu denen sie in dieser fremdartigen Sprache gebetet hatte, ihr ein Zeichen geschickt.
    Ein verirrter Lichtstrahl spiegelte sich auf Metall, und Arri sah erst jetzt, dass ihre Mutter das Schwert aus dem Gürtel gezogen und vor sich in den weichen Boden gerammt hatte, um sich mit der rechten Hand auf dem verzierten Knauf abzustützen.
    »Siehst du diesen einen, besonders hellen Stern dort oben?«, fragte Lea. Sie löste weder die rechte Hand vom Schwert, noch nahm sie die andere von Arris Schulter, und doch begriff Arri fast sofort, was sie meinte: Zwischen den zahllosen Sternen, die wie glitzernde Eiskristalle auf schwarzer Asche am Himmel schimmerten, blinkte ein ganz besonders heller, weißer Funke. Sie nickte.
    »Er hat unseren Seefahrern als Leuchtfeuer gedient«, fuhr Lea fort. »Wo auch immer auf der Welt sie waren, sie mussten sich nur nach seinem Licht richten, um wieder nach Hause zu kommen. Merk ihn dir gut. Vielleicht wird er dir eines Tages das Leben retten. Auch wenn er deinen Vater und so viele andere das Leben gekostet hat.«
    Arri lauschte vergeblich nach einem Unterton von Bitterkeit oder gar Vorwurf in der Stimme ihrer Mutter. Nichts davon war zu hören. Es war eine Feststellung, mehr nicht, und vielleicht war es gerade das, was diese Worte so schrecklich machte, denn hätte es dieses Leuchtfeuer am Himmel nicht gegeben, hätte dieser eine, funkelnde Stern ihren Vater in jener schicksalhaften Nacht nicht nach Hause gebracht, dachte Arri, dann wäre er vielleicht jetzt noch am Leben. Aber dann wären sie und ihre Mutter vielleicht schon tot. Ganz plötzlich ergriff sie ein entschlossener Zorn auf die vergessenen Götter, über die ihre Mutter sprach. Wenn es sie wirklich einmal gegeben hatte, dachte sie, dann hatten sie einen grausam hohen Preis für all die vermeintlichen Geschenke verlangt, die sie den Menschen gaben, welche sie mit ihren Gebeten zum Leben erweckt hatten.
    Der Wind frischte weiter auf, vergrößerte die Lücke in der Wolkendecke, und es wurde spürbar kälter. Lea löste nun doch die rechte Hand vom Schwert, das, sicher in den Boden gerammt, weiter dastand, und machte eine flatternde Bewegung nach oben. »Erinnerst du dich an die Sterne, die ich dir gezeigt habe?«
    »Die sieben, von denen nur fünf sichtbar sind?«, fragte Arri.
    »Die Plejaden. Ja. Zeig sie mir.«
    Arri hatte den Namen vergessen, nicht aber die Position des zum Teil unsichtbaren Sternbildes am Himmel. Sie brauchte nur einen Augenblick, um es wieder zu finden und mit dem ausgestreckten Arm in seine Richtung zu deuten. »Dort.«
    »Ja.« Lea sagte nur dieses eine Wort, aber Arri konnte ihr ansehen, mit welchem Stolz es sie erfüllte, dass sie diese kleine Aufgabe so schnell und mühelos gelöst hatte. Dabei war sie nicht schwer gewesen. Die Sterne hatten Arri immer fasziniert, und sie hatte sich schon als kleines Kind gefragt, ob sich hinter diesen kalt funkelnden Lichtern am Himmel nicht vielleicht tatsächlich mehr verbarg als eben nur Lichter am Himmel, und wenn ja, was. Erst von ihrer Mutter und erst vor sehr kurzer Zeit hatte sie erfahren, dass manche dieser Sterne Namen hatten und manche Bilder und Gestalten am Himmel bildeten, aber gespürt hatte sie es schon immer. Möglicherweise hatte ihre Mutter ihr mehr vererbt als nur ihr silberfarbenes Haar und ihre schlanke Gestalt, die sie so oft zum Gespött aller anderen gemacht hatten.
    »Haben all diese Sterne Namen?«, fragte sie.
    »Nicht alle«, antwortete Lea. »Aber viele. Du wirst sie lernen müssen.«
    »Aber es sind so viele«, murmelte Arri. »Was bedeuten sie?«
    »Alles«, antwortete Lea. »Vielleicht habe ich zeit meines Lebens zu den falschen Göttern gebetet, Arianrhod. Vielleicht sind wir alle dumm und mit Blindheit geschlagen. Wir heben den Blick in den Himmel und suchen die Götter hinter der Welt, die wir sehen können, und doch ist die Antwort vielleicht die ganze Zeit dort oben.«
    »In den Sternen?«, vergewisserte sich Arri.
    »Sie sind alles«, antwortete ihre Mutter, doch sie tat es in einem Ton, der diese Worte irgendwie nicht wirklich zu einer Antwort machte, als hätte es Arris Frage nur bedurft, damit sie sich selbst eine Frage stellte, deren Antwort sie längst kannte und nur nicht wahrhaben wollte. »Sie wachen über uns, weißt du? Wenn du ihre Sprache verstehst, dann verraten sie dir so viel. Sie sagen dir, wohin

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