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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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worden zu sein.
    Arri sprang so hastig auf, dass ihr schwindelig wurde, aber sie unterdrückte das Gefühl und streckte nur rasch die Hand aus, um sich an dem Felsen hinter ihr abzustützen. Ihr Herz begann zu rasen. Wo war ihre Mutter? Sie hatte ihr versprochen, Wache zu halten und sie zu beschützen, während sie schlief, und dass sie dieses Versprechen nicht laut, sondern nur sich selbst gegenüber abgegeben hatte, änderte rein gar nichts. Sie hatte ihr Wort gebrochen - schon wieder -, und das war alles, was zählte.
    Obwohl sie noch immer so schlaftrunken war, dass sie mehr taumelte als ging, stürmte sie zwischen den Felsen hervor, streifte die Decke ab, in die sie sich gewickelt hatte, und ließ sie achtlos zu Boden fallen, während sie sich gleichzeitig blindlings nach rechts wandte. Um ein Haar wäre sie gegen den Wagen geprallt, der als riesiges, gefährliches Hindernis jäh aus der Dunkelheit vor ihr auftauchte. Es gelang ihr im letzten Moment, die Hand auszustrecken, sodass sie nur einen dumpfen Schmerz spürte, der durch ihr Handgelenk schoss, statt sich ernsthaft zu verletzen, aber sie torkelte einen Schritt zurück und musste hastig mit den Armen rudern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Das dumpfe Geräusch, mit dem sie gegen den Wagen geprallt war, vielleicht auch ihre heftige Bewegung, hatte eines der Pferde geweckt.
    Das Tier, das anscheinend im Stehen geschlafen hatte, drehte mit einem unwilligen Schnauben den Kopf in ihre Richtung und scharrte mit den Hufen, und im nächsten Moment hörte Arri hinter sich einen neuen Laut: das seidige Flüstern einer Stimme, die nahezu die gleiche Tonlage hatte wie der Wind, der über das Gras strich, sodass sie sie bisher gar nicht bewusst wahrgenommen hatte. Ihre Mutter. Sie sprach mit jemandem. Hatte sich Dragosz doch entschlossen, sich zu zeigen, oder hatte er sich vorhin gar einen Scherz mit ihr erlaubt, als er sie bat, ihrer Mutter nichts von seiner Anwesenheit zu verraten -oder sie möglicherweise sogar auf die Probe stellen wollen?
    Arris Benommenheit war mittlerweile vollkommen verflogen. Langsam und mit schon wieder heftig klopfendem Herzen drehte sie sich um und versuchte die Dunkelheit mit Blicken zu durchbohren, aber es war ein sinnloses Unterfangen. Die Nacht war so kalt, wie sie es befürchtet hatte, aber noch sehr viel dunkler, und der Himmel hatte sich fast gänzlich zugezogen, sodass weder Mond noch Sterne zu sehen waren. Das wenige Licht, das irgendwie seinen Weg durch die geschlossene Wolkendecke gefunden hatte, reichte gerade aus, damit man die sprichwörtliche Hand vor Augen sehen konnte, aber kaum weiter. Ihre Mutter und Dragosz konnten eine Pfeilschusslänge entfernt sein und auf der anderen Seite der Felsen stehen, genauso gut aber auch direkt vor ihr.
    Was sollte sie tun? Wenn Dragosz wirklich zurückgekommen war, um mit ihrer Mutter zu reden, dann würde sie alles erfahren, und auch, wenn Arris Vernunft ihr klarzumachen versuchte, dass an ihrem Gespräch eigentlich rein gar nichts Verbotenes oder auch nur Verfängliches gewesen war, begann ihr Herz doch allein bei der Vorstellung schneller zu klopfen, und ihr schlechtes Gewissen wurde noch stärker. Sie hatte nichts getan, dessen sie sich zu schämen brauchte, und dennoch erfüllte sie der Gedanke, dass Dragosz jetzt mit ihrer Mutter reden könnte, beinahe mit Entsetzen. Sie war davon überzeugt, dass ihre Mutter sie nur ein einziges Mal ansehen musste, um zu wissen, was sie in diesem Augenblick gefühlt und gedacht und vor allem, was sie sich gewünscht hatte.
    Trotzdem ging sie nach kurzem Zögern weiter. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, einfach an ihren Schlafplatz zurückzukehren und so zu tun, als wäre sie gar nicht erwacht, aber sie erwog diese Möglichkeit gerade so lange, wie sie brauchte, um den Gedanken zu Ende zu denken. Die Dunkelheit würde ihr Schutz gewähren, sodass ihre Mutter ihr kleines Täuschungsmanöver gewiss nicht durchschauen würde, aber die Ungewissheit war schon jetzt so gut wie unerträglich. Nicht zu wissen, mit wem Lea dort auf der anderen Seite der Felsen sprach - und vor allem worüber! -, wäre mehr, als sie ertragen konnte.
    So leise sie konnte, den linken Arm tastend vorgestreckt, um nicht in der Dunkelheit erneut gegen ein Hindernis zu prallen und sich vermutlich zu verraten, ging sie den Weg zurück, den sie gekommen war, und umrundete die Felsgruppe in der anderen Richtung. Das Wispern der Stimme wurde lauter,

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