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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kehrt, um seinen Knüppel zu holen. Leas Blick folgte seinen Bewegungen scheinbar teilnahmslos, aber sie war nicht besonders gut darin, sich zu verstellen; Arri spürte deutlich die Anspannung, die hinter dieser aufgesetzten Ruhe herrschte, und Rahn vermutlich auch.
    »Dann wäre es dumm, es auch nur zu versuchen«, sagte Lea mit wenig Überzeugung in der Stimme und einem noch weniger überzeugenden Schulterzucken. »Außerdem ist es vielleicht ganz gut, einen starken Mann bei uns zu haben. Der Weg ist lang und nicht ungefährlich, vor allem für zwei wehrlose schwache Frauen wie uns.«
    Rahns Augen wurden schmal; zumal sich Lea nicht einmal mehr Mühe gab, den beißenden Spott aus ihrer Stimme zu verbannen. Er sagte jedoch nichts, sondern beließ es bei einem zornigen Blick und ging weiter, blieb aber unmittelbar vor der Tür noch einmal stehen. »Bei Dunkelwerden?«, vergewisserte er sich.
    »Besser eine kleine Weile danach«, antwortete Lea. »Sobald es im Dorf ruhig geworden ist. Und komm so, wie du bist. Bring nichts mit - oder vielleicht deinen Knüppel da.«
    Rahn wirkte nun endgültig verstört, beließ es aber auch jetzt bei einem gleichermaßen verwirrten wie hilflosen Blick, schlug schließlich mit einer eindeutig zornigen Bewegung den Muschelvorhang beiseite und ging. Lea wartete nur einen Augenblick, dann wandte sie sich mit einem Seufzen zu Arri um und fügte hinzu: »Nicht, dass dieser Dummkopf am Ende noch sein ganzes Hab und Gut zusammenrafft und sich hinterher wundert, wenn wir ein halbes Dutzend von Nors Kriegern am Hals haben.«
    Arri sah ihre Mutter verwirrt an. Lea mochte ja Recht haben, aber sie hatte eindeutig nicht lange genug gewartet und auch zu laut gesprochen, als dass sie sicher sein konnte, dass Rahn die Worte nicht doch noch hörte.
    Dann fing sie Leas fast beschwörenden Blick auf, und ihr wurde klar, dass ganz genau das ihre Absicht gewesen war: Rahn sollte sie hören. Aber warum?
    Sie kleidete die Frage in einen entsprechenden Blick, aber Lea winkte fast erschrocken ab und fuhr - beinahe noch lauter - fort: »Es ist gut jetzt. Leg dich hin und versuch zu schlafen. Ich wecke dich, wenn es dunkel wird.«
    Arri rührte sich nicht, um der Aufforderung ihrer Mutter nachzukommen, doch das schien Lea auch gar nicht erwartet zu haben. Sie blieb noch eine Weile regungslos stehen, dann ging sie zur Tür, teilte den muschelbesetzten Vorhang vollkommen lautlos und lauschte konzentriert.
    »Er ist weg«, sagte sie schließlich.
    »Ich verstehe nicht ganz«, begann Arri, suchte nach Worten und setzte dann neu an: »Warum hast du das gesagt? Rahn hat dich bestimmt gehört.«
    »Rahn«, antwortete ihre Mutter betont, »erwartet so etwas von mir. Er würde misstrauisch werden, wenn ich nichts in dieser Art gesagt hätte.« Sie machte eine ärgerliche Handbewegung. »Und nun tu, was ich dir gesagt habe, und leg dich hin. Du bist noch lange nicht wieder gesund, und wir haben einen ziemlich anstrengenden Tag vor uns.«
    Arri rührte sich nicht. »Was hättest du getan, wenn er sich nicht auf dein Angebot eingelassen hätte?«, fragte sie.
    Sie las die Antwort auf ihre Frage in Leas Augen, noch bevor ihre Lippen sie aussprachen. »Dann hätte er dieses Haus nicht lebend verlassen.«

26
    Sie erwachte mit hämmernden Kopfschmerzen, einem üblen Geschmack im Mund und dem sicheren Wissen, nicht lange genug geschlafen zu haben, nicht einmal wirklich lange. Jemand - ihre Mutter, wer sonst? - rüttelte an ihrer Schulter, beinahe sanft, aber doch mit einer fast unangenehmen Beharrlichkeit, die es unmöglich machte, die Berührung aus ihren Gedanken auszuschließen und sich in die verlockende Umarmung des Schlafes zurücksinken zu lassen, was sie lieber als alles andere getan hätte. Und sie glaubte auch, ihre Stimme zu hören, aber sie war noch viel zu benommen, um die Worte zu verstehen, geschweige denn, es zu wollen.
    Aber natürlich ließ der Quälgeist keine Ruhe. Das Rütteln an ihrer Schulter hielt an, und auch Leas Stimme wurde drängender und zugleich klarer. »Arianrhod, wach auf. Es ist Zeit.«
    »Zeit wofür?« Arri hob widerwillig das linke Augenlid und schloss es hastig wieder, als sich das Sonnenlicht wie ein dünnes, weiß glühendes Messer tief in ihren Schädel bohrte.
    »Arianrhod, Liebling - es ist Zeit. Du musst aufwachen.«
    Möglicherweise war es genau dieses Wort, das Arri endgültig in die Wirklichkeit zurückbrachte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ihre Mutter sie das letzte Mal

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