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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinem Stock, hob ihn auf und versetzte dem bewusstlosen Krieger im Herumdrehen einen derben Fußtritt, der seine Rippen knacken ließ. Vielleicht waren es auch Sarns Zehen, dachte Arri, denn als sich der greise Schamane zu ihr umdrehte, spiegelte sich auf seinem Gesicht zwar grenzenlose Wut, aber auch Schmerz, und er hatte die Lippen zusammengepresst und schien leicht zu humpeln. »Erbärmlicher Feigling!«, sagte er noch einmal. »Wäre ich nur ein bisschen jünger, dann würde ich die Hexe selbst jagen und zur Strecke bringen.«
    Der Krieger fuhr sich unruhig mit dem Handrücken über den Mund. Er hatte Angst vor Sarns Zorn, das war unübersehbar, aber vermutlich überlegte er - völlig zu Recht -, dass es möglicherweise schlimm sein würde, den Zorn des Schamanen zu ertragen, die Entscheidung, Lea zu verfolgen, aber auf reinen Selbstmord hinauslief.
    »Nun gut«, knurrte Sarn, als auch er endlich begriff, dass seine Autorität offenbar doch nicht schwerer wog als der pure Selbsterhaltungstrieb des Mannes. »Sie wird uns schon nicht entkommen. Immerhin«, fügte er mit einem bösen Lächeln und einer Geste auf das blutbesudelte, niedergetrampelte Gras hinzu, »haben wir ja eine gute Spur.« Er wandte sich zu Arri um.
    »Freue dich nicht zu früh, Dämonenkind. Wir finden deine Mutter schon noch.«
    »Glaubst du wirklich, dass das nötig ist?«, fragte Arri böse. Sarns Augen wurden schmal, aber Arri ließ ganz bewusst eine geraume Weile verstreichen, bevor sie weitersprach, und sie bemühte sich nicht nur, möglichst ruhig und selbstbewusst zu klingen, sondern legte ganz bewusst einen ebenso überheblichen wie höhnischen Ton in ihre Stimme. Sie hatte immer noch Angst, aber ihre Panik war dahin. Sie schämte sich fast für das, was sie gerade über Lea gedacht hatte.
    »Ich an deiner Stelle würde mir die Mühe gar nicht machen, nach meiner Mutter zu suchen. Sie wird noch früher zu dir kommen, als dir lieb ist.«
    Sarns Augen wurden noch schmaler, aber er sagte auch jetzt nichts, sondern presste nur die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen und starrte sie an.
    »Du glaubst doch nicht wirklich, dass meine Mutter mich im Stich lässt, oder?«, fuhr sie spöttisch fort. Sie lachte. Da war plötzlich auch wieder jene lautlose, flüsternde Stimme in ihr, die ihr klarzumachen versuchte, dass sie auf dem besten Weg war, sich um Kopf und Kragen zu reden. Aber sie konnte nicht aufhören.
    »Ich hoffe nur, du hast wirklich ein so gutes Verhältnis zu deinen Göttern, wie du behauptest, Sarn«, fuhr sie fort. »Ich fürchte nämlich, du wirst ihnen eher gegenüberstehen, als du glaubst.«
    In Sarns Augen blitzte die reine Mordlust, und für einen Moment war Arri vollkommen sicher, dass sie den Bogen überspannt hatte und er nun seinen Stock nehmen würde, um sie auf der Stelle zu erschlagen. Stattdessen maß er sie jedoch nur noch einmal mit einem langen, plötzlich verächtlichen Blick, dann straffte er sich und gab Rahn, der hinter ihr stand, einen Wink. »Rahn!«
    Arri spannte die Muskeln an, denn sie rechnete fest damit, nun abermals brutal gepackt oder gleich von hinten niedergeschlagen zu werden. Dann aber wurde ihr ein grober Sack über Kopf und Schultern gestülpt, und für die nächsten anderthalb Tage sollte der schmutzige Stoff alles sein, was sie sah.

27
    Der Raum war winzig, hatte nur ein einziges, kaum handbreites Guckloch, das ganz oben unter der aus schweren Balken gefertigten Decke angebracht war, und bestand - abgesehen von dieser Decke und dem Fußboden aus festgestampftem Lehm - vollkommen aus Stein. Arri hatte noch niemals ein Haus gesehen, das zur Gänze aus Stein erbaut war, aber dieses hier war es; zumindest der Raum, in den man sie gebracht hatte, vermutlich aber das ganze Haus.
    Das war ungewöhnlich genug. Doch mindestens ebenso ungewöhnlich wie das Baumaterial, aus dem die kahlen Wände bestanden, die sie umschlossen, war auch die Art seiner Verarbeitung. Mauern aus Stein oder auch zumindest zum Teil gemauerte Wände hatte sie bereits in Targans Haus gesehen, noch nie aber solche wie hier. Die Erbauer dieses sonderbaren Hauses hatten sich nicht damit begnügt, mehr oder weniger passende Steine aufeinander zu schichten und irgendwie miteinander zu verbinden; die Wände bestanden aus gewaltigen, sorgsam behauenen Blöcken, von denen jeder einzelne länger war als ihr ausgestreckter Arm und so dick wie vier übereinander gelegte Hände mit gespreizten Fingern. Was schon ein einzelner dieser

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