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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewaltigen Brocken wiegen mochte, das konnte sich Arri nicht einmal vorstellen, geschweige denn, wie man ihn hierher gebracht und so sorgsam bearbeitet hatte. Die Oberfläche der Steine war glatt wie raues Eis, und die Zwischenräume schienen kaum breit genug, um einen Fingernagel hineinzuschieben.
    Das Allerungewöhnlichste vielleicht aber war die Tür. Arri hatte -abgesehen vom Haus der Bergleute und Händler - noch nie zuvor eine Tür gesehen, die diesen Namen wirklich verdiente. Die meisten waren kaum stabil genug, um einem Wintersturm zu trotzen. Diese Tür hier aber war mindestens ebenso massiv wie die Decke: schwere Balken, dicker als eine Handspanne, die ebenso sorgsam bearbeitet waren wie die Steine, aus denen die Wände bestanden, und auch fast ebenso schwer sein mussten. Es gab weder einen Riegel noch irgendeine andere Möglichkeit, diese Tür zu öffnen; zumindest nicht von dieser Seite.
    Oder, um es anders auszudrücken: Sie war gefangen.
    Nicht, dass sich in dieser Hinsicht etwas geändert hätte, ganz im Gegenteil. Verglichen damit, was sie in den zurückliegenden anderthalb Tagen durchgemacht hatte, ging es Arri jetzt geradezu gut. Immerhin hatte man ihr nicht nur die groben Stricke abgenommen, mit denen ihre Hände bisher auf dem Rücken zusammengebunden gewesen waren, sondern ihr auch den stinkenden Sack vom Kopf gezogen, der sie nicht nur vollkommen blind gemacht, sondern ihr auch nahezu ununterbrochen das Gefühl gegeben hatte, ersticken zu müssen. Und die allergrößte Erleichterung war, dass sie nicht mehr laufen musste.
    Ihr geprelltes Knie schmerzte immer noch unerträglich, obwohl sich Arri mit dem Rücken an die Wand gelehnt und dabei so hingesetzt hatte, dass sie das Bein ausstrecken konnte. Auch wenn sie es wohlweislich nicht wagte, den Rock hochzuschieben und ihr Knie zu betrachten, spürte sie, dass es nicht nur gut auf das Doppelte seines gewöhnlichen Umfangs angeschwollen sein musste, sondern wohl auch in allen Farben des Regenbogens schimmerte. Dabei war die Verletzung nicht einmal besonders schlimm gewesen und nichts im Vergleich zu dem, was sie sich in der Mine und bei dem Brand in Targans Haus zugezogen hatte. Dass sie ihre verletzte Hand überhaupt noch bewegen konnte, verdankte sie wohl dem Verband, den ihre Mutter ihr angelegt und den sie vor ihrem Aufbruch abgenommen hatte. Dagegen war die Prellung am Knie eigentlich nur eine Kleinigkeit, die sie wahrscheinlich jetzt schon nicht mehr spüren würde, hätte sie nur die Gelegenheit gehabt, ihr Bein zu schonen.
    Aber diese Zeit hatten ihr Rahn und die Krieger nicht gelassen.
    Ganz im Gegenteil. Arri wusste zwar, dass es nicht stimmte, aber sie hatte trotzdem das hartnäckige Gefühl, dass sie noch immer in Bewegung war.
    Nachdem man ihr den Sack übergestülpt und ihr die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatte, hatte sie jemand - vermutlich Rahn - grob umgedreht und ihr dann einen groben Stoß zwischen die Schulterblätter versetzt, der sie haltlos hatte stolpern lassen, und es kam ihr so vor, als hätten sie seit jenem Moment nicht mehr angehalten.
    Selbstverständlich hatten sie es - sie hatten zweimal Rast gemacht, um zu schlafen und zu essen, wobei sie nur, was das Schlafen anging, auf ihre Kosten gekommen war; ihre Beteiligung am Essen hatte sich darauf beschränkt, den Kau- und Schmatzgeräuschen der Männer und dem Knurren ihres eigenen Magens zu lauschen, denn zu essen hatte man ihr nichts gegeben.
    Und dennoch hatte sie das Gefühl, als wäre sie endlos und ohne Pause unterwegs gewesen.
    Wie ihre Mutter immer gesagt hatte: Es spielte keine sonderliche Rolle, was wirklich gewesen war; wichtig war, was man daraus machte. Und ihr Körper machte das Schlimmste daraus. Ihr Knie pochte, und sie war überall wund, was an der Behandlung der letzten Tage liegen mochte oder, zumindest teilweise, an den Brandverletzungen, die sie sich zuvor zugezogen hatte. In jedem Fall gab es keine Stelle an ihrem Leib, die nicht wehtat. Alles in ihr schrie danach, einfach die Augen zu schließen und einzuschlafen, aber das konnte und wollte sie nicht. Sie musste herausfinden, wo sie war, und vor allem, wie sie von hier verschwinden konnte.
    Was ihren Aufenthalt anging, so war sie sich ziemlich sicher; sie hatte das Wort Goseg mehr als einmal aufgeschnappt, während sie unterwegs gewesen waren. Und auch was das Verschwinden anging, hatte sie mindestens ein Dutzend guter Pläne, von denen etliche durchaus Aussichten auf Erfolg hatten, die

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