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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unstet umher.
    »Sie ist plötzlich vorgesprungen und hat Sasa niedergeschlagen und ihr den Dolch entrissen. Ich war wie gelähmt! Ich konnte mich erst wieder bewegen, als sie Nor die Kehle durchgeschnitten hatte!«
    Arris Empörung explodierte regelrecht. »Das ist nicht wahr!«, schrie sie. »Ich habe.«
    Sarn rammte ihr das Ende seines Stocks in den Leib, sodass ihr die Luft wegblieb und sie sich vor Schmerz krümmte. »Schweig!«, donnerte er. »Noch ein Laut, Hexenkind, und ich lasse dir die Zunge herausreißen!«
    Arri krümmte sich noch weiter und rang qualvoll nach Luft. Sie hätte trotzdem noch weiter protestiert, denn was Sarn ihr gerade angedroht hatte, war vermutlich nichts gegen das, was er so oder so tun würde, aber sie konnte nicht sprechen. Sie konnte nicht einmal richtig atmen.
    Plötzlich stieß Nors Frau ein erschrockenes Keuchen aus, sprang auf die Füße und war mit einem gewaltigen Satz bei ihrem ermordeten Ehemann. Mit leisem, nahezu tonlosem Wimmern warf sie sich über ihn, umarmte seinen leblosen Körper und begann mit einer Hand um sich zu schlagen, als einer der Krieger hinter sie trat und sie wegziehen wollte.
    »Lass sie«, sagte Sarn. Dann wandte er sich wieder um und sah abwechselnd Arri und Jamu und dann wieder Arri an. Heiliger Zorn verdüsterte sein Gesicht, vielleicht ausgenommen des einen, wohl nur für Arri sichtbaren Moments, in dem er Jamu ansah und etwas anderes in seinen Augen erschien, ein böser, durch und durch zufriedener Triumph. Eine geraume Weile blieb er einfach so stehen und starrte auf sie herab, dann schüttelte er den Kopf und schien plötzlich nicht mehr die Kraft zu haben, sich aufrecht zu halten, denn er stützte sich schwer auf seinen Stock, sodass einer der Männer hinzutrat und rasch seine freie Hand ergriff, um ihn zu stützen.
    »Nor hat sich geirrt«, murmelte er. Seine Stimme war leise, fast nur ein Flüstern, und dennoch so klar zu verstehen, dass jedermann hier drinnen die Worte hören musste. Ein tiefes Bedauern und ein großer Schmerz sprachen daraus. »Bei allen Göttern schwöre ich, dass ich mir gewünscht habe, er möge sich irren - aber nicht so.« Er schüttelte traurig den Kopf. Als er weitersprach, war seine Stimme wieder lauter geworden und klang jetzt gefasst.
    »Bringt sie weg. Ich werde heute Nacht zum Heiligtum hinaufgehen und die Götter fragen, was mit ihr geschehen soll.«

32
    In dieser Nacht hatten die Feuer, deren roter Schein durch den winzigen Spalt unter der Decke ihres Gefängnisses drang, besonders hell gebrannt. Niemand war gekommen, um ihr zu essen oder zu trinken zu bringen, niemand war gekommen, um mit ihr zu reden oder ihr mitzuteilen, welches schreckliche Schicksal Sarns Götter für sie entschieden hatten; aber es war auch niemand gekommen, um sie zu holen.
    Jetzt musste es beinahe wieder Morgen sein, und bald würden sie kommen.
    Jedenfalls nahm Arri an, dass es so geschehen würde. Da der schmale Ausschnitt des Himmels, den sie durch das winzige Fenster erkennen konnte, die ganze Nacht über rot im Widerschein zahlloser Feuer geglüht hatte und das immer noch tat, war es ihr unmöglich, die Zeit an der Position der Sterne über ihr zu bestimmen, und das Fenster ging in die falsche Richtung, sodass sie den Mond nicht sehen konnte. Seit einiger Zeit glaubte sie jedoch etwas wie einen blassen, grauen Schimmer zu erkennen, der den Himmel aufhellte und beharrlich an der Glut der Feuer fraß.
    In dieser Nacht schien niemand Schlaf gefunden zu haben, und obwohl der Wind so stand, dass er die meisten Geräusche von ihr weg trug, hatte sie dann und wann doch etwas gehört: den dumpfen Schlag einer Trommel, ein leises Jammern und Wehklagen, das von deutlich mehr als einer Stimme stammte, einmal einen scharfen, peitschenden Knall, den sie sich nicht hatte erklären können, und noch andere, unheimlichere Laute, die ihr allesamt unbekannt und furchteinflößend erschienen waren. Arri nahm an, dass Sarn möglicherweise wirklich gleich nach Sonnenuntergang ins Heiligtum hinaufgegangen war, um die Götter anzurufen, ihr Urteil über die heimtückische Mörderin und ihre Gnade erbat und Nors Tod betrauerte (und so ganz nebenbei und nur für sich den Umstand feierte, dass sein Plan so mühelos aufgegangen war und er nun die Macht über Goseg hatte), aber nicht einmal dessen war sie sich völlig sicher.
    Sie hatte keine Erinnerung an das, was in der Zeit zwischen dem Augenblick, in dem die wütenden Männer sie hierher gebracht und

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