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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eines nach dem anderen zu erlöschen, und irgendwann hörte auch der dumpfe Trommelschlag auf, der ihrem Herzen seinen Rhythmus aufgezwungen hatte, auch wenn sie selbst es nicht einmal merkte.
    Niemand kam, um sie zu holen.
    Einmal hörte sie Schritte und das Geräusch aufgeregter, wenngleich auch gedämpfter Stimmen durch das dicke Holz der Tür dringen, dann das hysterische Kläffen eines Hundes, das unglaublich lange anzuhalten schien, doch es verging noch eine lange, sehr lange Zeit, bis der Riegel endlich wieder zurückgezogen wurde und Arri in dem unerwartet hellen Licht der Morgensonne blinzeln musste, das durch den breiter werdenden Türspalt hereindrang. Unwillkürlich hob sie die Hand vor die Augen und musste gleich darauf die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien, denn sie hatte den linken Arm benutzt, und ihre ausgekugelte Schulter dankte es ihr mit wildem Schmerz. Irgendwie gelang es ihr, einen Schrei zu unterdrücken, aber der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, sodass sie die Gestalt, die hereinkam und sich über sie beugte, nur verschwommen erkennen konnte.
    Im allerersten Moment glaubte sie, es sei Rahn. Daran, dass er gekommen war, um ihr zu sagen, dass sich alles doch noch zum Guten gewendet habe, dass Sarns niederträchtiger Plan aufgedeckt worden sei und er selbst, Kron und Achk hier bleiben dürften und sie am Leben bleiben werde. O ja, und dass ihre Mutter gekommen sei, um sie abzuholen, damit sie in ihre Heimat zurückkehren konnten - die doch nicht untergegangen sei -, um sie auf den dort gerade frei gewordenen Thron zu setzen.
    Natürlich war es nicht Rahn. Noch während sie den Gedanken dachte, erkannte sie, dass es ganz im Gegenteil Jamu war, der vor ihr stand und mitleidlos auf sie herabblickte, und trotzdem fühlte sie sich für einen Moment von einer wilden, vollkommen sinnlosen Hoffnung gepackt, die so stark war, dass sie selbst den grausamen Schmerz in ihrer Schulter vergaß.
    »Ich hoffe, du hast gut geschlafen«, sagte Jamu höhnisch. Er selbst sah aus, als hätte er in dieser Nacht überhaupt keinen Schlaf gefunden, aber Arri nahm an, dass das auf jeden im Ort zutraf. »Das wird nämlich deine letzte Nacht gewesen sein.«
    »Warum?«, stieß Arri zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Habt ihr beschlossen, dass ich eure Gastfreundschaft lange genug ausgenutzt habe und nun gehen muss?«
    Für einen Moment verdunkelte Zorn Jamus Gesicht, doch er hatte sich fast augenblicklich wieder in der Gewalt. »Deine Frechheiten werden dir bald vergehen«, sagte er nur. »Steh auf!«
    Arri versuchte es, aber steif gesessen und müde und durch ihren unbrauchbaren linken Arm behindert, war sie für seinen Geschmack anscheinend nicht schnell genug, denn er beugte sich mit einem unwilligen Knurren vor und riss sie am Arm in die Höhe; und gewiss nicht zufällig an ihrem linken Arm. Arri stieß einen schrillen Schrei aus und fiel unverzüglich wieder auf die Knie. Der Schmerz war so grauenhaft, dass sie sich um ein Haar auf seine in abgewetzten Sandalen steckenden Füße erbrochen hätte. Sie unterdrückte es nur deshalb mit aller Macht, weil sie wusste, dass er ihr dann vermutlich noch sehr viel mehr wehgetan hätte.
    Immerhin gab sich Jamu mit dieser einen, kleinen Quälerei zufrieden und verzichtete darauf, noch einmal an ihrem verletzten Arm zu reißen, sondern ließ sie ganz im Gegenteil los, trat nur einen Schritt zurück und wedelte ungeduldig mit der Hand. »Steh auf!«, befahl er grob. »Sarn erwartet dich.«
    Ja, dachte Arri, und ich bin sicher, er hält es vor lauter Wiedersehensfreude kaum noch aus. Sie war klug genug, vorsichtshalber gar nichts zu sagen, sondern kämpfte sich nur mit zusammengebissenen Zähnen wieder in die Höhe und presste ihren linken Arm mit der rechten Hand so fest an ihren Leib, wie sie konnte. So war der Schmerz in ihrer Schulter wenigstens halbwegs zu ertragen. Sie stand zwar taumelnd da, aber sie stand, und das aus eigener Kraft. Der Anblick schien Jamu zu ärgern. Arri registrierte mit einem Gefühl absurder Befriedigung, dass ihr Zustand und ihr Benehmen offensichtlich ganz und gar nicht dem entsprachen, was er erwartet hatte, als er hierher gekommen war. Aber wenn er geglaubt hatte, sie in Tränen aufgelöst und winselnd vor Furcht um ihr Leben flehend vorzufinden, dann enttäuschte sie ihn gerne. Sie war vernünftig genug, um sich selbst zu sagen, dass sie noch früh genug wimmern und schreien würde, aber zumindest würde

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