Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sie.
    »Mag sein«, erwiderte Jamu. »Aber immer noch besser verrückt als tot. Nor war ein alter Mann. Er hätte ohnehin nicht mehr lange gelebt, und es ist manchmal besser, sich frühzeitig nach einem neuen Herrn umzusehen, weißt du? Sasa war übrigens der gleichen Meinung.« Er machte eine spöttische Handbewegung, die beinahe etwas Ehrerbietiges hatte. »Kommst du nun freiwillig mit, oder muss ich dich an den Haaren schleifen?«
    Da Arri keinen Moment lang daran zweifelte, dass er das mit großem Vergnügen tun würde, wenn sie ihm auch nur den geringsten Anlass dafür bot, beeilte sie sich, an seine Seite zu treten. Sie rechnete nun damit, wieder gepackt und grob vorwärts gestoßen zu werden, aber Jamu bedeutete ihr nur mit einer entsprechenden Geste loszugehen, und sie gehorchte. »Du wirst sie auch töten müssen«, sagte sie.
    »Sasa?« Jamu wirkte ehrlich überrascht. »Aber warum sollte ich das tun?«
    »Weil auch sie weiß, was wirklich passiert ist. Du könntest niemals sicher sein, dass sie dich nicht eines Tages verrät.« Arri hob die Schultern. »Dein neuer Herr wird nicht ewig leben. Und selbst wenn, dann wird es nicht lange dauern, und er wird ebenso viele und ebenso mächtige Feinde haben, wie Nor sie hatte.«
    Zu ihrer Überraschung lachte Jamu. »Nor hatte Recht, und Sarn auch, weißt du? Du bist schon genauso verschlagen wie deine Mutter.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Sasa wird mich nicht verraten. Sie hatte unzählige Gründe, Nor zu töten. Einer davon ist, dass sie ein ziemlich vorlautes Mundwerk hatte, mit dem sie Nor mehr als einmal bis aufs Blut gereizt hat. Und im letzten Frühjahr hat sie es wohl etwas übertrieben, und er hat ihr die Zunge herausreißen lassen.«
    Arri starrte ihn erschrocken an. »Er hat was?«
    Jamu nickte heftig und machte dabei ein Gesicht, als spräche er von etwas ungemein Lustigem. »Er hat ihr die Zunge herausreißen lassen«, wiederholte er. »Du siehst also, selbst wenn sie so dumm wäre, die Wahrheit zu sagen und damit ihr eigenes Todesurteil heraufzubeschwören, sie könnte es gar nicht.«
    Sie gingen eine kleine Weile schweigend nebeneinander her, bis sie das offen stehende Tor erreicht hatten. Die versteinerte Stadt lag auch jetzt wieder wie ausgestorben rings um sie herum da, aber Arri spürte, dass dieser Eindruck täuschte. Sie wurden beobachtet, und möglicherweise sogar belauscht. Vermutlich hatte Jamu keine Ahnung davon, und vielleicht hatte er sich bereits um Kopf und Kragen geredet, ohne es zu wissen, aber diese Vorstellung brach ihr nicht unbedingt das Herz.
    Sie gingen nicht besonders schnell, und als sie das weit offen stehende Tor durchschritten hatten, wies Jamu nach links, den Hügel hinauf und zum Heiligtum, und sie wurden sogar noch ein wenig langsamer. Niemand war weit und breit zu sehen, doch das Gefühl, angestarrt und belauert zu werden, wurde mit jedem Atemzug stärker. Ihr kam zu Bewusstsein, wie verrückt ihre Situation im Grunde war. Für jeden, der nichts über sie und ihren Begleiter wusste, mussten sie den Anblick eines Paares bieten, das in vertrautem Nebeneinander einen Spaziergang unternahm und keine Eile hatte, sein Ziel zu erreichen.
    Zumindest was sie anging, stimmte das ja auch.
    So unauffällig, wie es ihr nur möglich war, sah sie sich um und suchte ihre Umgebung mit Blicken ab. Der Waldrand war nicht einmal besonders weit entfernt.
    »Versuch es lieber nicht«, sagte Jamu. Arri sah mit gespielter Überraschung zu ihm hoch und erntete wieder dieses böse, schadenfrohe Lächeln. »Ich würde dich nach ein paar Schritten einholen und dir das Fußgelenk brechen, damit du nicht mehr laufen kannst.«
    »Aber dann müsstest du mich tragen.«
    »Oh, das tue ich gern«, behauptete Jamu, und es klang ganz so, als wäre es ernst gemeint. »Ich würde sogar großzügig sein. Du kannst dir aussuchen, welchen Fuß ich dir breche. Willst du es darauf ankommen lassen?«
    Arri sagte nichts darauf, sondern schenkte ihm nur einen weiteren bösen Blick und schritt dann ein wenig schneller aus, als könnte sie es plötzlich gar nicht mehr erwarten, die Hügelkuppe und das Heiligtum zu erreichen. Sie hatte geglaubt, sich unauffällig genug umgesehen zu haben, doch Jamu war entweder ein weit besserer Beobachter, als sie angenommen hatte, oder sie hatte sich selbst - wieder einmal -überschätzt.
    Sie wusste, dass er Recht hatte. Wäre sie ausgeruht und im Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen, dann hätte sie sich zugetraut, ihm

Weitere Kostenlose Bücher