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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wenige weitere Augenblicke währen würde, und ganz gleich, wie unvorstellbar grauenhaft diese Augenblicke auch sein mochten, es wäre Leben, und unglaublich kostbar.
    Verzweifelt warf sie sich zurück und riss und zerrte mit aller Gewalt an ihren Fesseln, ohne den wütenden Schmerz, der dabei durch ihre Schulter tobte, auch nur zu spüren, doch es war sinnlos. Die Stricke hielten. Sie versuchte nach Jamu zu treten, doch der Krieger schlug ihren Fuß nur mit einem abfälligen Grunzen beiseite, griff in den Ausschnitt ihres Kleides und schnitt es ihr mit einer einzigen Bewegung vom Leib, wobei er ihr einen langen, blutigen Kratzer vom Halsansatz bis fast zur Hüfte hinab zufügte. Dann trat er zurück, wickelte sich das zerrissene Kleid scheinbar achtlos um den Unterarm und nahm wieder an Sarns Seite Aufstellung.
    »Dir wird noch eine letzte Gnadenfrist gewährt«, sagte der Hohepriester. »Du magst noch einmal zu deinen falschen Göttern beten, wenn du willst. Falls es sie wirklich gibt, dann werden sie deine Gebete ja vielleicht erhören und deine verkommene Seele zu sich nehmen.«
    »Das werden sie bestimmt«, antwortete Arri. Sie wusste selbst nicht, woher sie die Kraft für diese Worte nahm, aber sie fuhr, zwar unter Tränen und schluchzend, dennoch aber mindestens ebenso laut wie Sarn gerade, wenn nicht lauter, fort: »Du solltest lieber zu deinen Göttern beten, damit sie dir deine Verbrechen vergeben. Ich jedenfalls tue es nicht. Ich verfluche dich, Sarn, dich und dein ganzes Volk! Meine Zauberkräfte werden dich verfolgen, so lange du lebst, und jeden verderben, der auf deiner Seite steht!«
    Obwohl sie in der Mitte des großen Geheges stand, konnte sie das erschrockene Raunen der Menge hören, die ihre Worte ebenso deutlich verstanden haben musste wie Sarn, und sie sah, wie Jamu ganz leicht zusammenfuhr und vergeblich versuchte, den Schrecken zu verhehlen, den er bei dieser Drohung empfand. Sarn aber lächelte nur und schüttelte den Kopf, wie ein Erwachsener, der gerade einige besonders dumme Worte aus dem Munde eines einfältigen Kindes mit angehört hatte.
    »Du dummes Ding«, sagte er, jetzt aber so leise, dass selbst Arri sich fast anstrengen musste, um die Worte überhaupt zu verstehen. Sie waren nur für ihre Ohren gedacht. »Verfluche uns ruhig, wenn du willst. Drohe ruhig mit deinen Zauberkräften. Alle anderen hier mögen es glauben, aber ich kenne das wahre Geheimnis eurer Zauberkräfte. Es ist keine Magie. Du bist so wenig eine Zauberin wie deine Mutter eine ist. Mögen alle anderen deinen Fluch hören und sich davor fürchten. Umso größer wird der Triumph unserer Götter sein, wenn sich dein Fluch nicht erfüllt.«
    Wären ihr nicht sowieso schon die Tränen über das Gesicht gelaufen, Arri hätte vermutlich vor lauter Enttäuschung losgeheult. Es war, als hätte Sarn ihre Gedanken nicht nur gelesen, sondern vorausgeahnt, sodass er eine Antwort auf alles parat hatte, was immer sie auch sagen konnte. Noch einmal bäumte sie sich mit aller Kraft gegen ihre Fesseln auf, erreichte dadurch aber nicht mehr, als den Ausdruck von Zufriedenheit auf Sarns Gesicht noch zu schüren und sich selbst noch mehr Schmerz zuzufügen. Schließlich gab sie es auf und ließ sich zurücksinken, so weit es die straff gespannten Stricke zuließen, die ihre Arme hielten.
    »Vergeude deine Kräfte nicht«, sagte der Schamane. »Du solltest die wenige Zeit, die dir noch bleibt, lieber nutzen, um mit dir selbst und deinen Göttern ins Reine zu kommen.«
    Er sah aus, als erwarte er tatsächlich eine Antwort, doch Arri starrte ihn nur aus tränenverschleierten Augen und mit zusammengebissenen Zähnen an. Schließlich bedeutete er Jamu mit einem Wink, dass er gehen solle, und wandte sich selbst in der gleichen Bewegung ab, um seiner eigenen Aufforderung Folge zu leisten. Jamu hingegen trat noch einmal auf Arri zu, blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie seinen Atem riechen konnte, und sah ihr einen Moment lang nachdenklich in die Augen. Dann, so schnell, dass sie die Bewegung nicht einmal richtig wahrnahm und erst begriff, was er getan hatte, als sie sich von einer neuerlichen Welle brennender Schmerzen überflutet fühlte, hob er sein Messer und versetzte ihr zwei tiefe Schnitte in die Oberschenkel, die sofort heftig zu bluten begannen. Arri stöhnte vor Qual, und noch mehr heiße Tränen liefen über ihr Gesicht, aber sie gönnte ihm trotzdem nicht die Genugtuung, sie schreien zu hören.
    »Nur, damit du dir keine falschen

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