Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Nicht, dass es wirklich darauf ankam. Larkar hatte darauf geachtet, dass sie nicht einfach losgestürmt waren, und das war wohl auch gut so gewesen. Offenbar war es tatsächlich Isanas Stimme, die sie gehört hatte. Und während sie sich im Schutz von dichten Büschen und ausladenden Bäumen vorsichtig anschlichen, bekamen sie Gesprächsfetzen mit, die zu hören Arri mit einem kalten Grausen erfüllte.
Larkar blieb ebenso wenig wie ihr verborgen, was dort gesprochen wurde. Die Art, auf die er sich bewegte, die Art, wie er sie mit flüchtigen Seitenblicken musterte: all dies veränderte sich grundlegend mit jeder weiteren Ungeheuerlichkeit, die Amar oder Isana von sich gaben. Seine Bewegungen waren plötzlich eckig und seine Gesichtszüge von einer Grimmigkeit, die sie erschreckt hätte, wäre sie nicht selbst vollkommen erschüttert gewesen.
Sie stolperte vor sich hin, unfähig, viel mehr wahrzunehmen, als dass sich die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über das Tal zu senken begann, das schon sehr bald die rötlichen Ausläufer der Abendsonne ersticken würde. Sie riss sich das Gewand ein, in das man sie nach ihrer angeblichen Flucht gesteckt hatte, sie holte sich einen blutigen Kratzer auf der Wange, als sie sich mit dem Kopf viel zu eng an dornigen Zweigen vorbeidrückte, statt das Gezweig mit der Klinge ihres Schwertes beiseitezudrücken.
Nach wenigen weiteren Schritten griff sich Larkar einen abgebrochenen Ast und ließ ihn durch die Luft zischen. Es klang wie ein Peitschenhieb. Arri zuckte nicht einmal zusammen, sie warf ihm nur einen besorgten Seitenblick zu. Der Ast wirkte massiv, er würde nicht gleich beim ersten Schlag zerbrechen. Trotzdem war er im Vergleich zu ihrem Schwert eine ganz erbärmliche Waffe.
Der kurze Blick hatte sie abgelenkt. Sie knallte mit dem Kopf gegen einen tief hängenden Ast und taumelte zurück. Um ein Haar hätte sie ihr Schwert fallen gelassen.
Sofort war Larkar bei ihr und drückte ihre Schwerthand ein wenig hinunter, damit ihm die Klinge nicht gefährlich werden konnte. Dann packte er Arri kurzentschlossen bei der Hand und zog sie wie ein kleines Kind mit sich durch das dunkle Gebüsch. War ihnen Gezweig im Weg, so drückte er es mit seiner notdürftigen Waffe ein Stück zur Seite, bei größeren Ästen dagegen dirigierte er Arri so sanft wie möglich vorbei.
Sie merkte es kaum – und konnte nicht glauben, was sie da hörte. Isana sprach keineswegs wie sie selbst, sondern so, als sei sie nicht ganz bei Verstand. Wie eine Verzweifelte klammerte sich Arri an die Hoffnung, dass ihre angeblich beste Freundin Amar nur etwas vorspielte, um ihr eigenes Leben zu retten. Aber irgendwo tief in ihrem Herzen wusste sie, dass dies nicht der Fall war. Es war Isanas Tonfall, ihre ganz andere Art zu reden, dieser Wahnsinn, der bei jedem einzelnen ihrer Worte wie eine abgerissene Vogelfeder im Wind mitzitterte.
Schließlich kamen sie an einem dichten Dornengebüsch heraus. Larkar drückte sie ein Stück nach unten und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, dass sie sich still verhalten solle.
Kurz und dankbar nickte Arri ihm zu. Das Schwert in ihrer Hand zitterte leicht, als sie in die Hocke ging und durch die Zweige starrte.
Sie hatte einen freien Blick auf zwei Paar Füße, die in Gamaschen aus gewickelten Lederriemen steckten und unter fast schwarzen Wickelgewändern hervorlugten. Ebenso sah sie die Spitzen von zwei Bronzeschwertern, die die zwei Krieger Gosegs offenbar schlagbereit in den Händen hielten. Als sie den Oberkörper gerade so weit nach vorn beugte, dass sich ihr Gewand nicht in den Dornen verfing, hörte sie Isana gerade sagen: »Dragosz war mein Mann, Taru! Nicht der Mann von Surkija. Und schon gar nicht der von dieser unerträglich einfältigen Arri!«
Taru und Amar ließen sich nicht aus den Augen. Es war ein stummes Duell, bei dem Isanas wirre Worte zu einem bedeutungslosen Säuseln wurden.
»Wir sollten verhandeln«, sagte Taru. Als Amar nicht gleich darauf reagierte, fügte er hinzu: »Ganz so, wie du es wolltest, als wir uns in dem verlassenen Dorf trafen.«
Amar schüttelte den Kopf. »Nein, das hast du missverstanden. Ich habe nie mit dir verhandeln wollen!«
Taru starrte ihn an. »Aber du hast doch gesagt …«
»Gesagt?«, schnitt ihm der Hohepriester das Wort ab. Seine Augen glitzerten. »Meine Männer töten gerade Nors Leibgarde. Und dann ist Nor selbst dran. Es ist jetzt kein Zeitpunkt zum Reden, eher ist es der richtige Zeitpunkt zum Handeln!«
In
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