Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
ruhig«, versuchte ihn Taru zu beruhigen. »Für uns ist es doch nur ein Vorteil, wenn niemand vom Ältestenrat auftaucht. Vielleicht merkt Kenan ja nicht einmal, dass Arianrhod verschwunden ist.«
»Ja … aber«, Rar verschluckte sich fast. »Der geht jetzt auf den Steg … Das ist doch … Oh …«
»Was, oh?« Taru drückte sich an Rar vorbei und starrte selbst in die Richtung des Stegs, auf dem Arri gerade noch gesessen hatte. »Ja, du hast recht.« Taru knirschte mit den Zähnen. »Das ist Kenan. Und jetzt geht er wieder. Ich hoffe nur …«
Rar tippte Taru an die Stirn. »Der weiß doch wahrscheinlich noch nicht einmal, was passiert ist!«, sagte er ganz aufgeregt. »Aber er will gleich zur Schmiede. Und wenn ich dann nicht da bin …«
Sein Blick fiel auf Arri. »Findest du das vielleicht lustig?«, fragte er und riss die Faust nach oben.
Im Augenblick fand Arri überhaupt nichts lustig. Schon gar nicht, dass Rar erstarrte, als Taru hervorstieß: »Der dreht um und geht weg. Aber dafür sehe ich da Kaarg … und Isana …«
»Die hinterhältige Tochter des Schmieds, ja?« Rar schüttelte den Kopf, und nun endlich ließ er die Faust sinken. »Egal. Ich muss sofort nach Hause, in die Schmiede. Wenn Kenan merkt, dass ich nicht da war – der reißt mir doch den Kopf ab!«
Ein Windstoß fuhr über das mit Sand und Kies bedeckte Ufer, wirbelte Laub auf und brachte Isanas Haare durcheinander. Sie bemerkte es jedoch kaum. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf den alten Mann gerichtet, in dessen Gesicht sich so tiefe Furchen eingegraben hatten wie in einen Acker, der mit dem Pflug bearbeitet worden war.
»Ich soll wirklich als Heilerin bestätigt werden?«, fragte Isana. Sie war so aufgeregt, dass sie fast wie ein kleines Kind von einem Fuß auf den anderen gehüpft wäre. »Aber wozu denn? Und warum gerade jetzt? Und weshalb so schnell?«
»Ob schnell oder nicht, mein Kind«, sagte Kaarg. »Eines steht fest: Du wirst die Heilerin sein. Und wozu und warum?« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich wünschte mir, Surkija würde noch leben.«
Isana nickte. Ja, Surkija war eine gute Heilerin – und Dragosz eine gute Frau gewesen. Aber sie war früh gestorben und hatte damit Arri den Weg frei gemacht – und das sowohl als Heilerin als auch als die Frau an seiner Seite.
»Surkija hätte nicht nach dem Wozu und Warum gefragt«, fuhr Kaarg fort. »Sie hätte ihre Sachen zusammengesucht und den Menschen geholfen, die ihrer Hilfe bedurft hätten, statt hier bloß rumzuhüpfen und Löcher in die Luft zu starren.«
»Ohh«, machte Isana.
»Ja«, antwortete der Schwätzer grimmig. »Sie hätte auch nicht Ach und Och gemacht.«
»Habe ich doch auch nicht«, widersprach Isana. »Ich habe Ohh gemacht. Und nicht Ach und Och.«
»Kind, Kind, Kind!« Kaarg wandte sich ab und ging auf das Feuer des Lebens zu, das nach wie vor am Ufer brannte und nicht im Pfahldorf – was schließlich auch viel zu gefährlich gewesen wäre, denn sollten Funken auf die bislang nur unvollkommen mit Lehm und Schilf verkleideten Holzhütten überspringen, würde die ganze auf Pfählen errichtete Siedlung noch wie eine riesige Fackel in Flammen aufgehen.
»Du bist fast so etwas wie Surkijas Tochter gewesen …«, fuhr der Schwätzer fort.
»Ihre Nichte«, berichtigte ihn Isana.
»Ob Nichte oder Tochter«, winkte der Alte ab, »das ist ganz gleich. Jedenfalls fließt Heilerinnenblut in deinen Adern. Und Surkija hat dir alles beigebracht, was du wissen musst, um den Menschen zu helfen.«
»Das mag ja sein«, sagte Isana. »Aber Arianrhod hat nicht umsonst die Stellung der Heilerin zugesprochen bekommen.«
»Für die du auch schon einmal im Gespräch gewesen bist.« Kaarg winkte ab. »Aber lassen wir das. Ich weiß, dass du Arianrhod immer unterstützt hast. Warum, das wissen die Götter. Doch nun ist die Zeit gekommen, da du selbst zur Heilerin berufen wirst. Und dafür musst du dich natürlich von der Drude lossagen.«
Isanas Gedanken überschlugen sich. Es gab so vieles, was sie jetzt hätte sagen können. Und das meiste davon wäre ganz schrecklich.
»Der Ältestenrat betraut dich erst einmal vorläufig mit dieser Aufgabe. Aber ich sehe keinen Grund, warum das später nicht so bleiben sollte – vorausgesetzt natürlich, du sagst dich von Arianrhod, dieser falschen Schlange, wirklich los«, plapperte Kaarg auf seine übliche geschwätzige Art weiter. »Und ihr da geht mir gefälligst aus dem Weg.«
Er fuchtelte mit den Händen herum,
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