Die Hintertreppe zum Quantensprung
Quantenzahlen zu erfassen. Entscheidend ist dabei zum einen die Einsicht, dass sich die durch Quantensprünge getrennten, also diskreten Zustände von Atomen überhaupt durch Zahlen charakterisieren lassen (Letztere sind übrigens auf ihre Weise unstetig und diskret, da sie etwa bei den natürlichen Zahlen quantenartige Sprünge etwa von 1 nach 2 oder von 7 nach 8 machen, wenn wir zählen). Und zum anderen gilt die Erkenntnis, dass es mehrere solcher Quantenzahlen braucht, um etwa anzugeben, in welchem Zustand sich ein Elektron in einem Atom befindet. Die Frage, wie viele Quantenzahlen insgesamt benötigt werden, konnte erst einige Jahre später Wolfgang Pauli, der erwähnte Schüler von Sommerfeld, beantworten, wobei uns die Begründung, die er für die Antwort »Vier« gegeben hat, noch wundern wird.
Das Atomkonzept von Bohr und Sommerfeld wird oft unter dem Namen »Schalenmodell« beschrieben, da man davon ausging, dass die Natur nach außen größer werdende Schalen bereitstellte, in denen die kreisenden Elektronen unterwegs sein konnten. Die erste Quantenzahl, die dann einem Elektron in einem Atom von Sommerfeld zugewiesen wurde, gab die Schale an, zu der es gehörte, und man zählte sie wie die natürlichen Zahlen von Eins an aufwärts.
Dieser Hauptquantenzahl fügte Sommerfeld eine Nebenquantenzahl hinzu, mit deren Hilfe die Form der jeweiligen Umlaufbahn in der Schale bestimmt wurde, wobei dafür vor allem Kreise oder Ellipsen infrage kamen. Auch die Nebenquantenzahlen wurden als natürliche Zahlen von Eins an gezählt – mit der physikalisch begründeten Vorgabe, stets kleiner als die Hauptquantenzahl zu sein.
Es ist für Leser nicht nötig, dieses Zahlenspiel im Detail nachvollziehen zu können. Sie sollten sich aber klarmachen, dass die moderne Atomphysik auf diese Weise etwas Zahlenmystisches bekommt, das an den antiken Grundgedanken des Pythagoras erinnert. Der hatte betont: »Alles ist Zahl« – das heißt, alles verdankt seine Existenz den Zahlen. Pythagoras verehrte bekanntlich die Vier als heilige Zahl – als Tetraktys –, weshalb es vielleicht doch bemerkenswert erscheint, dass es, wie oben erwähnt, vier Quantenzahlen sind, die ein physikalisches System festlegen.
Aufspaltungen
Sommerfeld haben diese Zahlenspielereien gefallen und amüsiert. Mehr nicht. Ihn beschäftigte etwas anderes, nämlich die immer zahlreicher werdenden Messungen, die Physiker in den Jahren des Ersten Weltkriegs unternahmen, um mit ihrer Hilfe den Aufbau der Atome zu verstehen. Sie nahmen vor allem verstärkt Messungen der Lichtstrahlen vor, die Atome aussenden. Seit dem 19. Jahrhundert wusste man, dass dieses Licht durch eine feste Wellenlänge ausgezeichnet war, was sich im Experiment als Linie zu erkennen gab. Die Physiker sprachen dabei von Spektrallinien – Linien aus dem sichtbaren Spektrum des Lichts –, und da die Idee der Quantensprünge diese diskreten Linien unmittelbar verständlich machen konnte, nahm die Gemeinschaft der Physiker Plancks Vorschlag zunächst überhaupt ernst, obwohl viele ansonsten eher skeptisch blieben.
Die Skepsis wuchs eher, als bei Experimenten immer deutlicher wurde, dass die Linien des Lichts beim genaueren Betrachten eine »Feinstruktur« offenbarten. Mit diesem Wort drückt man aus, dass einzelne Linien durch geeignete Anordnungen dazu gebracht werden konnten, auseinanderzulaufen und sich aufzuspalten. Aus einer Linie wurden oft zwei oder manchmal drei, und zwar dann, wenn man ein Atom in ein Magnetfeld oder in ein elektrisches Feld brachte und das von ihm ausgesendete Licht unter diesen Umständen registrierte.
Erste Beobachtungen dieser Art waren bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert durch den Holländer Pieter Zeeman gemacht worden – man spricht seitdem von Zeeman-Effekten –, und nach 1913 hat vor allem der Deutsche Johannes Stark immer wieder Aufspaltungen von Spektrallinien erkundet, die entsprechend als Stark-Effekt bezeichnet werden. Sowohl Zeeman als auch Stark sind dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden, wobei wir noch anfügen müssen, dass der deutsche Physiker später im Dritten Reich höchst unrühmlich und zum Teil schändlich und scheußlich gehandelt hat.
Kehren wir zur Physik und den genannten Aufspaltungen der Spektrallinien zurück. Sommerfeld fand diese Befunde wunderbar, und er konnte sie alle in seinem 1919 fertiggestellten Lehrbuch Atombau und Spektrallinien zusammenbringen, das so etwas wie die Bibel der Atomphysik wurde – allerdings
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