Die Hintertreppe zum Quantensprung
befassen sich mit der Natur und Ausbreitung von Licht. Im September fügt Einstein dem Quartett noch als eine Art Coda seine Antwort auf die eher langweilig klingende Frage hinzu: Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?
Einsteins Antwort »Ja« ist weniger wichtig als die Form, die er ihr gibt. Die Trägheit eines Körpers steckt in seiner Masse m, und Einstein entdeckt, dass ihr eine Energie E entspricht. Er leitet zwischen den beiden Größen die wohl berühmteste mathematische Formel der Welt ab. Sie hat längst den Weg auf viele T-Shirts gefunden und lautet: »E gleich m mal c Quadrat« oder kürzer: E = mc 2 . Der Buchstabe c steht dabei für die Geschwindigkeit, mit der sich Licht in einem leeren Raum ausbreiten kann.
Die Lichtgeschwindigkeit taucht in der berühmten Einstein-Formel E = mc 2 nicht zufällig auf. Sie bekommt in seiner Physik die Doppelrolle, eine Naturkonstante zu sein und eine obere Grenze darzustellen. Nichts kann sich schneller als Licht bewegen, was auch heißt, dass die Übertragung von Information nicht beliebig schnell sein kann, sondern so viel Zeit braucht wie das Licht. Auch die Information über die Zeit selbst braucht Zeit, die nicht so absolut sein kann, wie es sich der gewöhnliche Menschenverstand denkt. Einstein erkennt, dass sie nur relativ zum Ort ihrer Messung bestimmbar ist, und die genaue Darstellung dieser Zusammenhänge heißt heute Relativitätstheorie. Sie erscheint zum ersten Mal 1905 unter dem eher unauffälligen Titel Zur Elektrodynamik bewegter Körper und wirkt auf Einsteins Zeitgenossen so merkwürdig, dass sie sich noch mehr als ein Jahrzehnt später scheuen, ihm dafür den Nobelpreis zu geben. Diese Auszeichnung bekommt er stattdessen für seinen Hinweis, der ebenfalls aus dem Wunderjahr stammt. Der besagt, dass sich die Eigenschaften von Licht nur erklären lassen, wenn man ihm zubilligt, sowohl Welle als auch Teilchen zu sein. Einstein selbst hält diese Einsicht in die Dualität des Lichts für seine eigentliche revolutionäre Tat von 1905. Sie gibt ihm allerdings zugleich das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben, an dem die Physik seit Jahrhunderten gezimmert hatte. Auf ihm sollten objektive Gesetze errichtet, die unabhängig von einem Beobachter galten und ohne ihn formuliert werden konnten. Zu seinem eigenen Erstaunen musste Einstein nun feststellen, dass dieser Boden brüchig war. Denn die Natur des Lichtes hing nicht allein von der untersuchten Strahlung ab, sondern auch von der Frage, die ein Physiker im Experiment stellte. Mit anderen Worten, Einstein hatte die erste Frage der Physik entdeckt, für die es keine objektive Antwort gab. Die klassische Epoche seiner Wissenschaft war damit zu Ende. Die Zeit der Moderne konnte beginnen.
Die fünf großen Arbeiten des Wunderjahres 1905
1) Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Standpunkt, Annalen der Physik, Band 17, S. 132-184; eingegangen am 18. März 1905
2) Eine neue Bestimmung der Moleküldimension, Dissertation, beendet am 30. April 1905, gedruckt bei K.J. Wyss, Bern [später geringfügig verändert erschienen unter dem gleichen Titel in Annalen der Physik, Band 19 (1906), S. 289-305]
3) Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen, Annalen der Physik, Band 17, S. 549-560; eingegangen am 11. Mai 19054) Zur Elektrodynamik bewegter Körper, Annalen der Physik, Band 17, S. 891-921; eingegangen am 30. Juni 1905
5) Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?, Annalen der Physik, Band 18, S. 639-641; eingegangen am 27. September 1905
Das Licht
Einsteins Weltruhm gründet sich auf seine Relativitätstheorien, die er einmal in einem Satz zusammengefasst hat: »Früher hat man geglaubt, wenn alle Dinge aus der Welt verschwinden, so bleiben noch Raum und Zeit übrig; nach der Relativitätstheorie verschwinden aber Zeit und Raum mit den Dingen.«
In diesem Kapitel geht es vor allem um seine Beiträge zu den Quanten und ihren Sprüngen. Sie alle haben zunächst mit Licht zu tun. Wer will, kann Einsteins Leben und Leistung allein im Lichte von Licht sehen und darstellen: Erstens bestand seine frühe revolutionäre Tat in der Einsicht, dass die Frage nach der Natur des Lichts keine eindeutige Antwort kennt und sowohl von Wellen als auch von Teilchen handeln muss, wenn man die Ausbreitung von Strahlung sowie das
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