Die Hintertreppe zum Quantensprung
damals aber hilfreiches – Modell des Atomkerns zugrunde, das auf Niels Bohr zurückging und bei dem ein Kern als Tröpfchen gesehen wurde, dessen runde Form wie die eines Wassertropfens durch eine Oberfl ächenspannung zustande kommt: »Wir kamen in der Diskussion zu folgendem Bild: Wenn in dem hochgeladenen Urankern – in dem durch die gegenseitige Abstoßung der Protonen die Oberfl ächenspannung stark vermindert ist – durch das eingefangene Neutron die kollektive Bewegung der Kerne genügend heftig wird, so kann sich der Kern in die Länge ziehen; es bildet sich eine Art Taille, und schließlich erfolgt die Trennung in zwei ungefähr gleich große, leichte Kerne, die dann wegen ihrer gegenseitigen Abstoßung mit großer Heftigkeit auseinanderfl iegen. Wir konnten aus diesem Bild auch die dabei frei werdende Energie abschätzen.« Und diese war so gewaltig, dass die beiden Wissenschaftler zutiefst erschrocken sind und den Rest des Weges schweigend zurücklegten. Das Ergebnis des vorweihnachtlichen Gesprächs im Schnee wurde Anfang 1939 in englischer Sprache publiziert, und damit kam die Spaltung – die Fission – von Atomen in die Welt und die Geschichte.
Es ist schon merkwürdig, dass die Kernspaltung ausgerechnet am Vorabend des Zweiten Weltkriegs entdeckt wird, was unmittelbar zu einem riesigen Interesse an den ungeheuren Mengen an Energie führt, die dabei freigesetzt werden können. Schon im Januar 1939 war die Information darüber via Kopenhagen in Washington angekommen, und »die weitere Entwicklung ist bekannt«, wie Lise Meitner 1963 lakonisch feststellen konnte.
Als der Krieg zu Ende ging und die erste Atombombe zum Einsatz gekommen war, schreibt sie Otto Hahn einen Brief, der seinen Adressaten leider nie erreicht hat. Sie macht ihm wegen der Kernspaltung natürlich keine Vorwürfe, aber die damit zusammenhängenden Gräueltaten der Nazis spricht sie unverblümt an: »Das ist ja das Unglück von Deutschland, dass Ihr alle den Maßstab für Recht und Fairness verloren habt. Du hattest mir selbst im März 1938 erzählt, dass [man] gesagt hat, dass schreckliche Sachen gegen die Juden gemacht werden würden. (…) Ihr habt auch alle für Nazi-Deutschland gearbeitet und habt auch nie nur einen passiven Widerstand zu machen versucht. (…) Du wirst Dich vielleicht erinnern, dass ich, als ich noch in Deutschland war, Dir oft sagte: ›Solange wir nur die schlaflosen Nächte haben und nicht Ihr, solange wird es in Deutschland nicht besser werden.‹ Aber Ihr hattet keine schlaflosen Nächte. Ihr habt nicht sehen wollen, es war zu unbequem.«
Aus diesen wenigen Zeilen geht hervor, warum für Lise Meitner nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs und angesichts des »verschleierten Blicks« ihrer Kollegen gegenüber dem Naziterror nach 1945 in Deutschland kein Leben mehr möglich war. Otto Hahn trifft sie noch einmal Ende 1945 in Stockholm, als ihm der Nobelpreis für Chemie zuerkannt wird. Lise Meitner selbst geht leer aus.
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Albert Einstein (1879–1955)
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Der Mann des Jahrhunderts
Albert Einstein wurde am 14. März 1879 in Ulm geboren und starb am 18. April 1955 in Princeton (New Jersey). Seine Schulzeit verbrachte er in München und im schweizerischen Aarau, sein Studium absolvierte er an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Nach dem Examen nahm Einstein die Schweizer Staatsbürgerschaft an, und von 1902 bis 1909 fand er Arbeit am Patentamt in Bern. In diese Zeit fällt sein als Annus mirabilis bezeichnetes Wunderjahr von 1905, in dem der 26-jährige Angestellte III. Klasse die Physik und unser Weltbild revolutioniert – zum einen, weil er eine neue Auffassung vom Wesen von Raum und Zeit vorlegt, in der beide zu einer Raumzeit verschmelzen, und zum anderen, weil er befindet, dass der Quantensprung, den Max Planck im Jahre 1900 als mathematische Hilfsgröße in die Wissenschaft gebracht hat, physikalisch real ist. Just mithilfe ebendieser mathematischen Größe, so Einstein, entsteht das Licht, und zwar in Quantenform, und das ist seiner Ansicht nach wahrlich eine revolutionäre Entdeckung.
Biografisches
Einsteins Gedanken sind so ungewohnt und geraten so sehr mit dem gesunden Menschenverstand in Konfl ikt, dass die offizielle Wissenschaft ein paar Jahre braucht, bis sie ihren künftigen Star überhaupt wahrnimmt. Er wird erst im Jahre 1909 als Professor nach Zürich berufen – und dann auch nur als ein außerordentlicher. Den Sprung zum Ordinarius schafft
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