Die Hintertreppe zum Quantensprung
Einstein erst 1911, und zwar dank der Deutschen Universität in Prag, wo er aber nicht lange bleibt. Bereits 1912 kehrt er in die Schweiz zurück, die er zwar liebt, aber ihn oft genug peinlich beargwöhnt. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs folgt (der einer breiten Öffentlichkeit nach wie vor völlig unbekannte) Einstein dem Ruf von Max Planck und wechselt in die deutsche Hauptstadt. In Berlin wird er Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik ohne Lehrverpflichtung und hauptamtliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
1915 stellt Einstein auf einer Sitzung der Akademie eine wesentlich erweiterte Fassung seiner neuen Vorstellungen von Raum und Zeit vor, die als allgemeine Relativitätstheorie bekannt geworden sind und ein merkwürdiges Bild des Kosmos zeigen. Einstein zufolge leben wir nämlich auf der Oberfläche einer positiv gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit. Das hört sich (nicht nur) für den Laien völlig unverständlich an, aber die dieser These entsprechenden physikalischen Ideen sind präzisen Messungen zugänglich und damit quantitativ überprüfbar. Als die geeigneten Experimente 1919 unternommen werden und offi ziell bestätigen, dass Einsteins Ideen das Universum besser beschreiben als die Vorstellungen von Isaac Newton, an denen man sich seit Jahrhunderten orientiert hatte, ist ein neuer Star geboren. Einstein kommt auf die Titelseite der populären Zeitungen, und die Relativitätstheorie wird zum Stadtgespräch. Von nun an wächst er in die Rolle eines Weltweisen, und sein Gesicht entwickelt sich nach und nach zu einer Ikone.
Der 1921 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete Einstein wird nach der Bestätigung seiner Theorie bald von aller Welt umworben, nur nicht in Deutschland und erst recht nicht von den Nazis. In seiner Heimat entsteht eher eine hässliche Stimmung gegen ihn. Bereits 1920 organisiert eine »Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft« eine Großkundgebung gegen Einstein und die Relativitätstheorien in der Berliner Philharmonie, und die Anfeindungen nehmen mit dem wachsenden Antisemitismus zu. 1933 tritt Einstein aus der Preußischen Akademie der Wissenschaft aus und emigriert in die USA. Im Oktober trifft er in New York ein, und 1935 bezieht Einstein in Princeton (New Jersey) das Haus in der Mercer Street, in dem er bis zu seinem Tode wohnen wird. Einstein arbeitet in den ihm verbleibenden zwanzig Jahren an dem Institute for Advanced Studies, das in Princeton eingerichtet worden ist und wie für ihn geschaffen wirkt.
1939 empfiehlt er in einem berühmten Brief dem amerikanischen Präsidenten F. D. Roosevelt, möglichen deutschen Bemühungen um eine Atombombe zuvorzukommen, deren Bau im Rahmen der damals entwickelten Physik gelingen kann. Die Tatsache, dass im Laufe seines Lebens mithilfe einer abstrakten Wissenschaft der Weg zu konkreten Vernichtungswaffen gefunden werden konnte, entlockt Einstein kurz vor seinem Tod die Bemerkung: »Wäre ich noch einmal ein junger Mensch und stünde ich erneut vor der Entscheidung über den besten Weg, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, so würde ich nicht Wissenschaftler, Gelehrter oder Pädagoge, sondern eher ein Klempner oder Hausierer werden wollen, in der Hoffnung, mir damit jenes bescheidene Maß von Unabhängigkeit zu sichern, das unter heutigen Verhältnissen noch erreichbar ist.«
Seine wissenschaftliche Neugier kann Einstein aber nicht ablegen. Bis zuletzt beschäftigen ihn Fragen der Physik, deren theoretische Grundlegung ihm unlösbare Schwierigkeiten bereitet. Unermüdlich denkt Einstein etwa über die Frage nach, was Licht wirklich ist, das sowohl als Welle als auch als Partikel (als Quantum) in Erscheinung treten kann. Zwar meinen viele Zeitgenossen, die Antwort zu kennen, wie er ironisch anmerkt, aber Einstein zufolge sind sie im Irrtum. Das Geheimnis bleibt, und das Gefühl dafür gefällt ihm.
Das Wunderjahr 1905
1905 ist Einstein 26 Jahre alt. Er lebt in Bern, und sein Leben als Angestellter des Patentamtes lässt ihm Zeit genug, fünf Arbeiten zu publizieren, die jede für sich sensationell und nobelpreiswürdig ist (vgl. Tabelle zum Wunderjahr). Genauer gesagt, schließt Einstein zunächst zwischen dem 17. März und dem 30. Juni vier Manuskripte ab, die sich mit höchst unterschiedlichen Themen beschäftigen. Zwei haben mit der Dimension und der Diffusion von Molekülen zu tun – Letztere ist als Brown’sche Bewegung bekannt –, und zwei
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