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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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entstehen. Unter der Prämisse machte sich die Gemeinschaft der Physiker, unter anderem auch Lise Meitner, an die Arbeit: Bringe Neutronen in einen Urankern und produziere auf diese Weise ein größeres Element, das als Transuran bezeichnet wurde.
Vertreibung
    Was für Lise Meitner eine spannende wissenschaftliche Zeit mit einem internationalen Wettlauf hätte werden können, erfuhr plötzlich eine brutale Unterbrechung. Wir sind im Jahre 1938, und die Nationalsozialisten marschieren in Österreich ein und schließen das Land an ihren Staat an. Der Schutz, den Wiener Juden bis dahin noch hatten, verschwindet über Nacht, und Lise Meitner droht die Verhaftung. Sie flieht nach Schweden, und wenn dadurch auch das nackte Leben der inzwischen 60-jährigen Frau gerettet wird, so ist sie von heute auf morgen zur Untätigkeit verdammt, da ihre sämtlichen Arbeitsmittel in Berlin bleiben. Man sollte sich da nichts vormachen. So freundlich sie in Schweden aufgenommen wird, und so großzügig man ihr ein Gehalt zahlt und Gerätschaften zur Verfügung stellt – sie ist plötzlich allein und von der Welt abgeschnitten, was auch mit der Sprache zu tun hat, die sie erst lernen muss. Im März 1939 schreibt sie: »Ihr könnte Euch nicht vorstellen, was es für einen Menschen meines Alters bedeutet, seit neun Monaten in einem kleinen Hotelzimmer zu wohnen und mit der Angst, dass niemand die nötig Zeit hat, um meine Angelegenheiten in Berlin vorwärtszubringen. Und hier im Institut bin ich auch ganz ohne Hilfe. Mein Leben ist so leer, dass es wirklich nicht dafür steht, ein Wort darüber zu sagen.«
    Einige der genannten »Angelegenheiten« werden schon weitergebracht. Otto Hahn und sein neuer Mitarbeiter Fritz Straßmann untersuchen mit zunehmender Neugierde, was passiert, wenn Neutronen auf Uran treffen, und unter anderem gehen sie einer vagen Nachricht aus Paris – aus dem Laboratorium der Tochter von Marie Curie – nach, der zufolge bei dem Beschuss gar keine Transurane mit höherer Ordnungszahl (höher als 92) entstehen. Man mutmaßt nun vielmehr, dass Elemente mit kleinerer Ordnungszahl – wie das Radium mit 88 – gebildet werden. Hahn und Straßmann wollen das überprüfen und kommen bald aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die vermuteten Radiumatome verhielten sich eher wie Bariumatome, und die mussten, da das Element Barium die Ordnungszahl 56 trug, ungefähr halb so groß wie die von Neutronen getroffenen Uranatome sein. Der Schluss, den sie daraus zogen, war unumgänglich: Der Kern des Uran musste zerplatzt sein.
Kernspaltung
    Lise Meitner, die untätig in Schweden ausharren musste und ungeduldig auf Nachrichten aus Berlin wartete, hat 1963 in einem Beitrag über »Wege und Irrwege zur Kernenergie« beschrieben, was im Dezember 1938 passiert war, als erst die Kernspaltung von Hahn und Straßmann in Berlin entdeckt und danach von ihr im hohen Norden Europas verstanden werden konnte: »Ich möchte betonen, dass der Nachweis des Bariums bei der geringen Intensität der zu identifi zierbaren Präparate wirklich ein Meisterstück radioaktiver Chemie war, das in der damaligen Zeit kaum jemand anderem hätte gelingen können als Hahn und Straßmann. Hahn teilte mir brieflich Weihnachten 1938 das sowohl ihn als auch Straßmann sehr überraschende Resultat ihrer letzten Versuche mit. Ich war damals an der schwedischen Westküste in Kungälv, um dort mit [meinem Neffen] Otto Robert Frisch, der von Kopenhagen herübergekommen war, ein paar gemeinsame Weihnachtsfeiertage zu haben. Begreifl icherweise klang Hahns Brief richtig aufgeregt und er fragte, was ich als Physikerin über dieses Ergebnis dächte. Ich wurde beim Lesen des Briefes selbst ganz aufgeregt vor Erstaunen und – ehrlich gesagt – auch beunruhigt. Ich kannte zu genau Hahns und Straßmanns ungewöhnliches chemisches Wissen, um auch nur eine Sekunde an der Richtigkeit ihrer überraschenden Ergebnisse zu zweifeln. Ich begriff, dass diese Resultate einen ganz neuen wissenschaftlichen Weg eröffneten – aber wie sehr waren wir in den frühen Arbeiten [bei der Suche nach Transuranen] in die Irre gegangen.«
    Nach der Lektüre von Hahns Brief beginnt Lise Meitner bei einem Spaziergang durch die weihnachtliche Stille mit ihrem Neffen eine Diskussion über die Frage, was mit und in einem Urankern passiert, der von einem Neutron (oder mehreren) getroffen wird und dabei in Stücke zerspringt. Als Vorstellung legten sie ein – heute zwar als unzureichend erkanntes,

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