Die Hintertreppe zum Quantensprung
der Zeitschrift für Physik 43, 172 (1927) erschienen ist, und um Bohrs Arbeit über »Das Quantenpostulat und die neuere Entwicklung der Atomistik«, die in den Naturwissenschaften 16, 245 (1938) veröffentlicht wurde.
Die wesentliche Botschaft aus Kopenhagen steckt in der Zweiteilung der Dinge. Diese lässt zu, dass zum Beispiel das Licht als Welle und als Teilchen gesehen werden kann, dass in der Physik das diskrete Quantum gleichberechtigt neben dem kontinuierlichen Kraftfeld steht und dass das qualitative Analysieren im Stil von Bohr ebenso erlaubt ist wie das mathematische (quantitative) Denken im Stil von Heisenberg. Aber die Kopenhagener Deutung geht noch sehr viel weiter, und ihre zentrale Ordnung, so scheint es, muss jeder für sich selbst ergründen, auch wenn sich alle Hinweise bei Bohr und Heisenberg finden lassen. In den 1950er-Jahren hat Heisenberg in seinem Buch Physik und Philosophie zusammengefasst, was er unter einem Aspekt der Kopenhagener Deutung versteht: Sie »beginnt mit einem Paradoxon. Sie fängt mit der Tatsache an, dass wir unsere Experimente mit den Begriffen der klassischen Physik beschreiben müssen, und gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass diese Begriffe nicht genau auf die Natur passen. Die Spannung zwischen diesen beiden Ausgangspunkten ist für den statistischen Charakter der Quantentheorie verantwortlich.« Er fährt dann fort mit dem Hinweis, dass eine Messanordnung von einem Beobachter konstruiert und vorgegeben wird und dadurch ein subjektives Element in die Beschreibung der atomaren Vorgänge kommt: »Wir müssen uns daran erinnern, dass das, was wir beobachten, nicht die Natur selbst ist, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung ausgesetzt ist.«
Der Unpolitische in der Politik
Als Heisenberg sein Buch Physik und Philosophie schreibt, ist der Zweite Weltkrieg, der sein Verhältnis zu Bohr nahezu vollständig ruiniert hat, schon Vergangenheit. Aber schon früher, nämlich um 1927, als sich die beiden Forscher dem eigentlichen Höhepunkt ihrer gemeinsamen Erkenntnissuche nähern, fallen erste Schatten auf die gemeinsame erfolgreiche und glückliche Zeit. Zu Beginn des Jahres kommt es nach zahlreichen Diskussionen über die eigenartige Quantenwirklichkeit zur völligen Erschöpfung der zwei Physiker. Als Bohr zu einem Urlaub nach Norwegen aufbricht, hat Heisenberg zwar seinen Teil der Kopenhagener Deutung, die Unbestimmtheitsrelation, schon abgeleitet, doch sagt er Bohr zu, das entsprechende Manuskript erst nach dessen Rückkehr zur Veröffentlichung einzureichen. Leider hält sich Heisenberg, der Bohrs unendlich sorgfältiges Abwägen und seine umständlichen Umformulierungen kaum noch für nützlich erachtet, nicht an diese Vereinbarung, und es kommt zu ersten Irritationen zwischen den beiden.
Rückblickend erscheint diese angedeutete zwischenmenschliche Schwierigkeit harmlos im Vergleich zu den Bedrückungen und Belastungen, die Heisenberg und Bohr bald bevorstehen und von außen auf sie zukommen. Der Grund für die zunehmenden Differenzen innerhalb der Freundschaft steckt in der Politik. Die Quantentheorie entsteht in den Jahren der Weimarer Republik. In dieser schwachen »Demokratie ohne Demokraten« steigen die Nationalsozialisten ab den 1930er-Jahren nach und nach zur starken politischen Kraft in Deutschland auf, und die Folgen von Gewaltherrschaft und Terror bekommen bald alle zu spüren, die sich nicht gesinnungstreu zeigen und den amtlich verordneten Judenhass teilen. Als Heisenberg es nach 1933 wagt, die Theorien des Juden Einstein gegen eine sogenannte Deutsche Physik zu verteidigen, wird er in den Nazi-Zeitungen als »weißer Jude« beschimpft, wodurch seine wissenschaftliche Karriere in akute Gefahr gerät. Es bedarf einer besonderen Intervention seiner Mutter, um hier Abhilfe zu schaffen. Frau Heisenberg kennt die Mutter von Heinrich Himmler und kann sich so auf indirekten Weg an den Chef der Geheimen Staatspolizei, kurz Gestapo, wenden und um Verständnis für ihren Sohn bitten.
Es ist bekannt, wie sehr die deutsche Forschung nach 1933 ausgeblutet wurde und wie mühsam wissenschaftliches Leben unter den Nazis war. Entsprechend oft ist die Frage gestellt worden, warum sich Heisenberg während der braunen Herrschaft nicht entschließen konnte, sein Heimatland zu verlassen. Angebote, unter anderem von Universitäten aus den USA, lagen genug vor. Hierzu gibt es viele gute Antworten von Heisenberg selbst – etwa die, dass andere die amerikanischen Jobs
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