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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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kommen mit Wheelers Wort bestens zurecht und sollten ihm dankbar sein.
RBQs
    Mit seiner Frage nach dem Schwarzen Loch hatte Wheeler wie so oft seinen Finger in eine schmerzende Wunde der Physik gelegt. Wenn es diese Gebilde am Himmel tatsächlich gibt – woran in diesen Tagen die Mehrheit der Physiker nicht zweifelt, die sogar ein Schwarzes Loch im Zentrum unserer Milchstraße ausgemacht haben –, dann gibt es noch eine Menge Arbeit, um sie zu verstehen. Was ist zum Beispiel mit der Information, die in einem Schwarzen Loch verschwindet?
    Wheeler versuchte, den bekannten Erhaltungssätzen der Physik, die man etwa für die Energie und den Impuls formulieren kann, einen weiteren hinzuzufügen, der die Information betrifft. Vielleicht bleibt ja die Menge an Information, die in der Natur steckt, in jedem natürlich vorkommenden Prozess mit Quantensprüngen erhalten?
    Um dies besser verstehen und formulieren zu können, müsste man genauer wissen, was Information meint. Es muss jedenfalls mehr als das sein, was in einer Zeitung steht. Bei Bohr hatte Wheeler gelernt, dass wir eigentlich nicht über die Natur bzw. die Wirklichkeit sprechen, sondern über unser Wissen davon. Dieses Wissen haben wir aus den Informationen gewonnen, die wir der Natur entnommen haben – und da ist das Rätsel: Wenn wir der Natur Information entnehmen können, muss sie in ihr enthalten sein. Dies ist in einer wissenschaftlichen Beschreibung aber nicht der Fall. Da hat die Natur Masse, Energie, Ladung und manches mehr, aber keine physikalische Eigenschaft, die an das Konzept der Information anzuschließen ist.
    Wheeler nutzte dies zu einer tollkühnen Spekulation, indem er fragte, ob wir überhaupt sagen könnten, dass es erst die Welt (das Etwas, das englische it ) gegeben habe, der man dann Informationen, die bekanntlich in Bits gemessen werden, entnehmen kann. Wir denken, erst war it und dann kommt ein Bit (womit nicht das Bier mit diesem Namen gemeint ist, auch wenn vielleicht der eine oder andere Leser an dieser Stelle genau das wünscht). Nun fragte Wheeler, ob nicht umgekehrt »It from Bit« kommen könne, ob nicht erst eine formbildende (informative) Bewegung da gewesen sei, die dann die Welt geschaffen habe. Selbst in der Bibel war am Anfang nicht ein Etwas, sondern eine Information, nämlich das Wort Gottes, mit dem das Nichts vertrieben wurde.
    »It from Bit?« – dies ist eine gute Frage, und sie stellt nur eine der fünf großen Rätsel dar, die Wheeler als die »really big questions« (RBQs), die wirklich wichtigen Fragen, bezeichnete, denen sich die Menschen zu stellen haben und dies vermutlich am besten im Rahmen der exakten und experimentierfähigen Wissenschaften. Er formulierte jede von ihnen in drei knappen Worten, was wir im Deutschen zu imitieren versuchen:
    It from Bit? (Sein aus Information?)
    Why the Quantum? (Warum die Quantensprünge?)
    A participatory Universe? (Ein partizipatorisches Universum?)
    What makes Meaning? (Wie entsteht Bedeutung?)
    What makes Existence? (Woher kommt Etwas?)
Ein großes Geschenk
    Wheeler stellte und erörterte diese Fragen aus der Überzeugung heraus, dass Physik nicht nur physikalische Theorien hervorbringen soll, sondern zugleich den Versuch unternehmen muss, »die physikalische Welt in einem grundlegenden Sinn mit dem Menschen zu verknüpfen«. Er war der Ansicht, dass man von der Physik, die den Kosmos und die Atome berechnen konnte, auch etwas zum Verständnis unserer Existenz selbst beitragen müsse. Er wollte immer sehen, wie die Dinge zusammenhängen, und er lud seine Studenten ein, sich darüber auch Gedanken zu machen und sie mit ihm zu erörtern. Mehr als sechzig Doktoranden und noch mehr Assistenten sind bei ihm gewesen und voller Dankbarkeit geblieben.
    Als Wheeler im Juli 2001 neunzig Jahre alt wurde – er war inzwischen von Princeton nach Austin in Texas gezogen, weil die dortige Universität ihm auch nach Überschreiten der Pensionsgrenze die Möglichkeit zur Weiterarbeit gab –, haben seine Schüler ihm das größte Geschenk gemacht, mit dem man jemanden wie ihn beglücken kann. Sie haben ihm ihre Zeit und Gespräche geschenkt – Gespräche über die Wissenschaft und das, was der Wirklichkeit zugrunde liegt, was ihr Sinn verleiht und uns Zufriedenheit gibt. Wheeler bekam bei dieser Gelegenheit natürlich den Auftrag, eine kleine Rede zu halten. Er wurde gebeten, einleitend etwas über seine fünf großen Fragen zu sagen, und er ging auf zwei von ihnen ein.
    Wheeler

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