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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Krieg (1943) publiziert er in einem Leipziger Verlag seine Überlegungen Zum Weltbild der Physik . Es beginnt mit folgenden Sätzen: »Vor einigen Jahrzehnten besaß die Physik ein geschlossenes Weltbild. Es bot einen Rahmen, in den alle bekannten physikalischen Erscheinungen passten. Es übte als Vorbild eines wissenschaftlichen Weltbildes einen entscheidenden Einfluss auf alle anderen Wissenschaften aus. Bis in die großen Fragen der Weltanschauung hinein erstreckten sich seine Wirkungen und halfen das geistige Gesicht der Zeit zu prägen. Heute besteht dieses Weltbild nicht mehr.« Um es genauer zu sagen, es besteht nicht mehr als die einheitliche Sicht, welche die alte klassische Physik zu bieten hatte und die zum Beispiel Immanuel Kant veranlasst hat, seine Kritik der reinen Vernunft zu schreiben. Von Weizsäckers Überlegungen Zum Weltbild der [neuen] Physik werden zum Glück bis heute aufgelegt. Wer sich für den Autor und sein verführerisches Vermögen, Physik und Philosophie zusammen zu denken und das Wissenschaftliche im menschlichen Streben nach Klarheit darzustellen, interessiert, der wird hier eine Goldgrube fi nden. Nie sind die beiden Geistesdisziplinen – nach dem Vorbild Bohrs betrachtet er sie als komplementär – so eng und authentisch miteinander verwoben worden wie in diesem Buch. Und nirgendwo zeigt sich besser, warum es berechtigt und notwendig ist, von Weizsäcker als Physiker und Philosophen vorzustellen. Das wunderbare Werk des gerade einmal 30-Jährigen endet mit der Erwartung, dass eines Tages »vielleicht ein neuer Mensch die Augen öffnen und sich mit Erstaunen einer neuen Natur gegenübersehen« wird, was wir nicht weiter kommentieren und nur als Angebot an unsere Zeit vorlegen wollen.
    Dem Weltbild der Physik folgen nach dem Weltkrieg weitere große Werke. Gemeint sind Die Einheit der Natur von 1971 und der Aufbau der Physik von 1985. Im hohen Alter hat von Weizsäcker in einem abschließenden Spätwerk mit dem Titel Zeit und Wissen (1992) versucht, eine Rekonstruktion der Physik zu geben, die er – ganz im Sinne von Niels Bohr – nicht als Beschreibung der Natur auffasst, sondern als Beschreibung dessen, was Menschen von der Natur wissen. Der Bogen, den von Weizsäcker dabei zu schlagen versucht, reicht vom Anfang der abendländischen Metaphysik, der durch den Satz des Parmenides, demzufolge Wissen und Sein dasselbe sind, charakterisiert ist, bis zum gegenwärtigen Ende dieses Denkens, welches durch eine Frage von Martin Heidegger markiert wird: »Offenbart sich die Zeit selbst im Horizont des Seins?«
    Man konnte und kann nur die Vielfalt der Themen bewundern, die von Weizsäcker etwa in Die Einheit der Natur nicht nur anspricht, sondern bereichert. Es geht ihm neben der Wissenschaft selbst um eine Philosophie der Sprache. Er entwickelt ein Verständnis der Zeit und ihrer Richtung und liefert eine Deutung der Information sowie eine Bewertung der neuen Wissenschaft namens Kybernetik. Und damit haben wir nur einige wenige Aspekte seines Gedankenreichtums genannt. Von Weizsäcker formuliert seine Einsichten stets elegant und einprägsam zugleich. Für das Verständnis der Information schlägt er zum Beispiel zwei grandiose, grundlegende Thesen vor, die ein langes Nachdenken lohnen und belohnen: »Information ist, was jemand versteht«, und diesem ersten fügt er einen zweiten Satz hinzu: »Information ist, was Information erzeugt.«
Von der Verantwortung
    Mit solchen Arbeiten bewegt sich von Weizsäcker in der Bundesrepublik der Nachkriegsjahre immer weiter von der Naturwissenschaft Physik weg und auf die Geisteswissenschaft Philosophie zu. Auch wenn er nach 1945 zunächst noch eine Abteilung des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen übernommen hat, besonders glücklich oder produktiv geworden ist er dabei nicht. Seine akademischen Ziele liegen woanders, und eines erreicht er 1957, als ihn die Universität Hamburg auf den Lehrstuhl für Philosophie beruft. Hier kann er sich nicht nur zahlreichen wissenschaftstheoretischen Fragen in Hinblick auf den Gang der Wissenschaft widmen. Er kann sich darüber hinaus als Philosoph den Fragen nach der Verantwortung des Forschers zuwenden, die ihn ganz sicher persönlich beschäftigen. Immerhin haben er und sein Lehrer Heisenberg während des Dritten Reichs in einem sogenannten Uranverein über die praktischen Folgen der von Otto Hahn in Berlin entdeckten Kernspaltung nachgedacht. Dabei ging es um den Bau von Kernwaffen, und zwar

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