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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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& les pretendus
    Inuisibles, Paris 1623, p. 6
     
    »Vielleicht versuchen sie eine doppelte Operation: einerseits ein Signal an die Franzosen zu senden und andererseits die verstreuten Teile der deutschen Gruppe wieder zusammenzufügen, die vermutlich durch die lutherische Reformation zerschlagen worden war. Vom Erscheinen der Manifeste bis etwa 1621 erhielten deren Verfasser eine Flut von Antworten ... «
    Ich nannte einige der zahllosen Schriften, die zum Thema erschienen waren, jene, an denen ich mich damals mit Amparo in Salvador da Bahia delektiert hatte. »Vermutlich gab es unter all diesen Leuten einige, die etwas wussten, aber sie gingen unter in einem Gewimmel von exaltierten Spinnern, von Enthusiasten, die die Manifeste wörtlich nahmen, von Provokateuren, die die Operation zu behindern suchten, von Betrügern und Schwindlern ... Die Engländer versuchten, in die Debatte einzugreifen und sie zu steuern, nicht zufällig schreibt Robert Fludd, ein anderer englischer Templer, im Laufe eines einzigen Jahres drei Werke, um die richtige Interpretation der Manifeste zu suggerieren ... Aber die Reaktion ist jetzt unkontrollierbar geworden, der Dreißigjährige Krieg hat angefangen, der pfälzische Kurfürst ist von den Spaniern geschlagen worden, die Pfalz und Heidelberg werden geplündert, Böhmen steht in Flammen ... Die Engländer beschließen, sich nach Frankreich zurückzuziehen und es dort zu versuchen. Und so kommt es, dass sich die Rosenkreuzer 1623 in Paris mit ihren Plakaten melden, auf denen sie den Franzosen mehr oder weniger dieselben Angebote machen wie vorher den Deutschen. Und was liest man in einem der Pamphlete gegen die Rosenkreuzer in Paris, geschrieben von einem, der ihnen misstraute oder sie anschwärzen wollte? Dass sie Teufelsanbeter seien, natürlich, aber da man auch in der Verleumdung nie ganz die Wahrheit unterdrücken kann, insinuiert er, dass sie sich im Marais versammelten.«
    »Na und?«
    »Ja, kennen Sie denn Paris nicht? Der Marais ist das Viertel des Tempels und – welch ein Zufall! – auch das Viertel des jüdischen Ghettos! Mal ganz davon abgesehen, dass diese Pamphlete auch behaupten, die Rosenkreuzer stünden in Kontakt mit einer iberischen Kabbalistensekte, den Alumbrados! Vielleicht versuchen all diese Schmähschriften gegen die Rosenkreuzer, indem sie so tun, als ob sie die sechsunddreißig Unsichtbaren attackierten, in Wahrheit deren Identifikation zu beschleunigen ... Gabriel Naudé, der Bibliothekar Richelieus, schreibt Instructions à la France sur la vérité de l'histoire des Frères de la Rose-Croix . Was für Instruktionen? Ist er ein Sprecher der Templer des dritten Kerns, ist er ein Abenteurer, der sich in ein fremdes Spiel einmischt? Einerseits scheint es, als wollte auch er die Rosenkreuzer als verrückt gewordene Teufelsanbeter hinstellen, andererseits macht er geheimnisvolle Andeutungen und sagt, es seien noch drei weitere rosenkreuzerische Kollegien zugange – und das würde ja stimmen, denn nach der dritten Gruppe kommen noch einmal drei. Er gibt Hinweise, die nahezu märchenhaft klingen (eins der Kollegien sei in Indien auf schwimmenden Inseln), aber er lässt auch durchblicken, dass eins der Kollegien sich in den Untergründen von Paris befinde.«
    »Und Sie glauben«, fragte Belbo, »das alles erkläre den Dreißigjährigen Krieg?«
    »Ohne jeden Zweifel«, sagte ich. »Richelieu hat spezielle Informationen von Naudé, er will in dieser Geschichte mitmischen, aber er macht alles falsch, interveniert militärisch und trübt die Wasser nur noch mehr. Aber ich würde auch zwei andere Fakten nicht vernachlässigen. Erstens: 1619 tritt das Generalkapitel der Christusritter in Tomar zusammen, nach sechsundvierzig Jahren des Schweigens. Es war zuletzt 1573 zusammengetreten, wenige Jahre vor 1584, vermutlich um die Reise nach Paris zusammen mit den Engländern vorzubereiten, und nun tritt es nach der Geschichte mit den Rosenkreuzer-Manifesten erneut zusammen, um zu entscheiden, welche Linie man einschlagen soll, ob man sich der Operation der Engländer anschließen oder andere Wege probieren soll.«
    »Klar«, sagte Belbo, »inzwischen sind das alles ja Leute, die hilflos herumirren wie in einem Labyrinth. Die einen probieren diesen, die anderen jenen Weg, man lanciert Gerüchte, aber man kapiert nicht, ob die Antworten, die man hört, die Stimme von jemand anderem oder das Echo der eigenen Stimme sind ... Alle tasten sich wie im Dunkeln voran. Und was machen

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