Die historischen Romane
einen guten Grund, warum es den Engländern 1584 nicht gelungen sein soll, das Treffen mit den Franzosen zu realisieren? Die Engländer wussten doch, wo das Refugium war, sie waren sogar die einzigen, die es wussten.«
Er wollte die Wahrheit. Und schaltete Abulafia ein. Und fragte ihn probehalber nach einer Kombination zweier blind herausgegriffener Daten. Und das Output war:
Minnie ist die Verlobte von Mickymaus
30 Tage hat November, mit April, Juni und September
»Wie ist das zu interpretieren?« fragte Belbo. »Minnie vereinbart ein Rendezvous mit Mickymaus, aber versehentlich gibt sie den einunddreißigsten September an, und Micky ... «
»Halt! Moment mal!« rief ich. »Minnie könnte sich nur geirrt haben, wenn sie das Rendezvous auf den 5. Oktober 1582 gelegt hätte!«
»Wieso?«
»Die Gregorianische Kalenderreform! Ist doch ganz klar. 1582 tritt die Gregorianische Reform in Kraft, die den Julianischen Kalender korrigiert, und um das Gleichgewicht wiederherzustellen, werden zehn Tage im Oktober unterdrückt, vom 5. bis zum 14.!«
»Aber das Treffen in Frankreich ist für 1584 festgesetzt, für die Johannisnacht, also den 23. Juni«, sagte Belbo.
»In der Tat. Aber wenn ich mich richtig erinnere, ist die Reform nicht gleich überall in Kraft getreten.« Ich holte mir den Ewigen Kalender vom Regal. »Ja, hier steht es: Die Reform wurde 1582 verkündet, und es wurden die Tage vom 5. bis zum 14. Oktober unterdrückt, aber das funktionierte nur für den Papst. Frankreich übernahm die Reform erst 1583 und unterdrückte die Tage vom 10. bis 19. Dezember. In Deutschland kam es zu einer Spaltung, die katholischen Länder übernahmen die Reform 1584, wie in Böhmen, die protestantischen zum Teil erst 1775, also fast zweihundert Jahre später, ganz zu schweigen von Bulgarien, das sie – ein Datum, das wir uns merken müssen – erst 1917 übernahm. Und wie steht's mit England? Hier, England übernahm die Gregorianische Reform 1752! Natürlich, in ihrem Hass auf die Papisten widersetzten sich auch die Anglikaner fast zweihundert Jahre lang. Und jetzt kapieren Sie, was passiert ist. Frankreich unterdrückt zehn Tage im Dezember 1583, und bis Juni 1584 haben sich alle daran gewöhnt. Aber als in Frankreich der 23. Juni war, da war es in England noch der 13. Juni, und überlegen Sie mal, ob ein braver Engländer, auch wenn er Templer war, zumal in jenen Zeiten, als die Informationen noch langsam zirkulierten, ob der sich die Sache wohl klargemacht hat. Noch heute fahren sie links und ignorieren das metrische Dezimalsystem ... So erscheinen die Engländer beim Refugium an ihrem 23. Juni, der für die Franzosen inzwischen der 3. Juli ist. Nun darf man wohl annehmen, dass diese Treffen nicht gerade mit Fanfarenstößen begleitet wurden, es waren verstohlene Treffen an der richtigen Ecke zur richtigen Zeit. Die Franzosen sind am 23. Juni pünktlich zur Stelle, sie warten einen Tag, zwei, drei, sieben Tage, und schließlich gehen sie wieder, in der Annahme, dass wohl etwas passiert sein muss. Womöglich resignieren sie genau am Abend des 2. Juli. Die Engländer kommen am 3. Juli und finden niemanden vor. Womöglich warten auch sie acht Tage und finden weiterhin niemanden vor. So haben die beiden Großmeister sich verloren.«
»Wunderbar!« sagte Belbo. »So ist es gelaufen. Aber warum rühren sich dann jetzt die deutschen Rosenkreuzer und nicht die englischen?« Ich bat um einen weiteren Tag Zeit, stöberte in meiner Kartei und kam am nächsten Morgen stolzgeschwellt ins Büro. Ich hatte eine Spur gefunden, scheinbar nur eine winzige, aber so arbeitet Sam Spade, nichts ist irrelevant für seinen Falkenblick. Gegen 1584 wurde der Magier und Kabbalist John Dee, Astrologe der Königin von England, mit dem Studium der Reform des Julianischen Kalenders beauftragt!
»Die Engländer haben die Portugiesen 1464 getroffen. Nach diesem Datum scheint es, als würden die Britischen Inseln von einem kabbalistischen Fieber erfasst. Man arbeitet über dem, was man erfahren hat, um sich auf das nächste Treffen vorzubereiten. John Dee ist der Anführer dieser magischen und hermetischen Renaissance. Er richtet sich eine Privatbibliothek mit viertausend Bänden ein, die von den Templern aus Provins zusammengestellt sein könnte. Sein Opus Monas Ieroglyphica scheint direkt von der Tabula smaragdina inspiriert, der Bibel der Alchimisten. Und was tut John Dee ab 1584? Er liest die Steganographia von Trithemius! Und zwar im
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