Die historischen Romane
Englischen Großloge, John Theophilus Desaguliers, einem Freund Newtons, verfasste der protestantische Pastor Anderson die Constitutions für eine Loge von Maurerbrüdern im Geist des Deismus und begann, von den Maurerbrüderschaften als von viertausend Jahre alten Zünften zu sprechen, die auf die Erbauer des Salomonischen Tempels zurückgingen. Dies sind die Gründe für den freimaurerischen Mummenschanz mit Schürze, Winkelmaß, Zirkel und Hammer. Doch vielleicht gerade deshalb wurde die Freimaurerei nun Mode, attraktiv für die Adligen wegen der Stammbäume, die sie durchblicken ließ, aber mehr noch für die Bürger, denen sie nicht nur erlaubte, von gleich zu gleich mit den Adligen zu verkehren, sondern auch den Degen zu tragen. Elend der entstehenden modernen Welt: die Adligen brauchen ein Milieu, in dem sie sich mit den neuen Kapitalproduzenten treffen können, und diese – wen wundert's? – suchen dringend nach einer Legitimation.«
»Aber die Templer kamen doch, scheint's, erst später ins Spiel.«
»Der erste, der einen direkten Zusammenhang mit den Templern herstellte, war Ramsay, von dem ich jedoch lieber nicht sprechen möchte. Ich fürchte, er war von den Jesuiten inspiriert. Aus seiner Predigt ging dann die schottische Abart der Freimaurerei hervor.«
»Schottisch in welchem Sinne?«
»Der schottische Ritus ist eine deutsch-französische Erfindung. Die Londoner Großloge hatte drei Initiationsgrade: Lehrling, Geselle und Meister. Die schottische Freimaurerei vervielfachte diese Grade, denn viele Grade bedeuteten viele Stufen der Initiation und des Geheimnisses ... Die Franzosen mit ihrer angeborenen Eitelkeit haben es dann auf die Spitze getrieben ... «
»Aber was war denn da für ein Geheimnis?«
»Keins natürlich. Hätte es ein Geheimnis gegeben – oder hätten sie es besessen –, so hätte seine Komplexität die Komplexität der Initiationsgrade schon gerechtfertigt. Doch Ramsay multiplizierte die Grade, um glauben zu machen, dass er ein Geheimnis besitze. Und wir können uns vorstellen, wie die braven Kaufleute bebten bei dem Gedanken, sie könnten endlich die Fürsten der Rache werden ... «
Agliè geizte nicht mit Freimaurerklatsch. Und beim Reden ging er, wie es seine Art war, allmählich zur ersten Person über. »Zu jener Zeit schrieb man in Frankreich bereits couplets über die neue Mode der Frimaçons, die Logen wucherten allenthalben, in ihnen zirkulierten Bischöfe, Mönche, Grafen und Krämer, und die Mitglieder des Königshauses wurden Großmeister. In den neutemplerischen Logen der Strikten Observanz dieses dubiosen Herrn von Hund waren Leute wie Goethe, Lessing, Mozart, Voltaire, es entstanden Logen im Militär, in den Regimentern bildeten sich Verschwörungen, um Hiram zu rächen, und man diskutierte über die bevorstehende Revolution. Für die andern war die Freimaurerei einfach eine société de plaisir , ein Club, ein Statussymbol. Da fand sich alles zusammen, Cagliostro, Mesmer, Casanova, Baron d'Holbach, d'Alembert ... Aufklärer und Alchimisten, Libertins und Hermetiker. Und man sah's ja beim Ausbruch der Revolution, als die Mitglieder ein und derselben Loge sich plötzlich geteilt fanden und es schien, als trete die große Brüderschaft ein für allemal in die Krise ... «
»Gab es da nicht einen Gegensatz zwischen Großem Orient und Schottischer Loge?«
»In Worten, ja. Ein Beispiel: In die Philosophenloge der Neuf Soeurs war auch Benjamin Franklin eingetreten, dem es natürlich um ihre laizistische Umwandlung ging – ihn interessierte nur die Unterstützung der amerikanischen Revolution –, aber zur selben Zeit war einer der Großmeister jener Graf von Milly, der nach einem Elixier für langes Leben suchte. Da er ein Idiot war, vergiftete er sich bei seinen Experimenten und starb. Oder denken Sie an Cagliostro: einerseits erfand er ägyptische Riten, andererseits war er in die Affäre mit dem Halsband der Königin involviert, also in einen Skandal, den die neuen bürgerlichen Schichten betrieben hatten, um das Ancien Régime zu diskreditieren. Jawohl, auch Cagliostro hatte die Finger mit drin, verstehen Sie? Versuchen Sie sich nur mal vorzustellen, mit was für Leuten man damals zusammenleben musste ... «
»Muss hart gewesen sein«, sagte Belbo verständnisvoll.
»Aber was für Leute«, fragte ich, »waren diese Barone von Hund, die nach den Unbekannten Oberen suchten ... «
»An den Rändern der bürgerlichen Farce waren Gruppen mit ganz anderen
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