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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Anspielung auf die Juden. Aber 1806 bekam Abbé Barruel einen Brief von einem gewissen Hauptmann Simonini, der ihn mit Nachdruck an die jüdische Omnipräsenz erinnerte: Auch Mani und der Alte vom Berge seien Juden gewesen, die Freimaurer seien von den Juden gegründet worden, und sämtliche existierenden Geheimgesellschaften seien von Juden infiltriert.
    Der Brief, dessen Inhalt geschickt in Paris bekanntgemacht wurde, brachte Napoleon in Schwierigkeiten, der eben erst mit den Juden in Kontakt getreten war. Dieser Kontakt hatte offenbar auch die Paulizianer beunruhigt, denn kurz danach erklärte der Heilige Synod der Orthodoxen Kirche zu Moskau: »Napoleon beabsichtigt, alle Juden, die Gottes Zorn über das Antlitz der Erde verstreut hat, jetzt wieder zu vereinigen, um sie anzustacheln, die Kirche Christi umzustürzen und Ihn als den wahren Messias auszurufen.«
    Der gute Abbé Barruel akzeptierte die Idee, dass die Große Verschwörung nicht nur freimaurerisch, sondern jüdisch-freimaurerisch sei. Im übrigen war die Idee einer solchen satanischen Weltverschwörung auch sehr geeignet, einen neuen Feind anzugreifen, nämlich die Carbonari und mit ihnen die antiklerikalen Väter des italienischen Risorgimento, von Mazzini bis Garibaldi.
    »Aber das alles geschieht in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts«, sagte Diotallevi, »während die große antisemitische Offensive erst gegen Ende des Jahrhunderts einsetzt, mit den sogenannten Protokollen der Weisen von Zion . Und die erscheinen im russischen Raum. Also sind sie eine Initiative der Paulizianer.«
    »Natürlich«, sagte Belbo. »Es ist klar, dass die Jerusalemer Gruppe sich mittlerweile in drei Zweige aufgeteilt hat. Der erste Zweig hatte, auf dem Umweg über die spanischen und provenzalischen Kabbalisten, den neutemplerischen Flügel inspiriert, der zweite ist vom Baconschen Flügel absorbiert worden, seine Mitglieder sind jetzt Wissenschaftler und Bankiers. Und über sie fallen die Jesuiten her. Aber es gibt noch einen dritten Zweig, und der hat sich in Russland etabliert. Die russischen Juden sind zum guten Teil kleine Händler und Geldverleiher, und folglich sind sie bei den armen Bauern nicht gerade beliebt, und da die jüdische Kultur seit jeher eine Kultur des Buches war und alle Juden lesen und schreiben können, gehen viele von ihnen hin und vermehren die Reihen der liberalen und revolutionären Intelligenz. Die Paulizianer dagegen sind Mystiker und Reaktionäre, sie haben sich eng mit dem feudalen Adel verbunden und bei Hof eingeschlichen – klar, dass es zwischen ihnen und den Jerusalemern nicht zu Fusionen kommen kann. Daher sind die Paulizianer jetzt daran interessiert, die Juden zu diskreditieren, auch um dann durch die Juden – das haben sie von den Jesuiten gelernt – ihre auswärtigen Gegner in Schwierigkeiten zu bringen, die Neutempler ebenso wie die Baconianer.«

 
    92
     
    Es kann keinen Zweifel mehr geben. Mit der ganzen
    Macht und Schrecklichkeit Satans nähert sich
    das Reich des triumphierenden Königs von Israel
    unserer nicht erneuerten Welt; der aus dem Blute
    Zions geborene König, der Antichrist, nähert sich
    dem Throne der universalen Macht.
     
    Sergej Nilus, Epilog zu den Protokollen
     
    Die Idee war akzeptabel. Man brauchte nur zu bedenken, wer die Protokolle in Russland eingeführt hatte.
    Einer der einflussreichsten französischen Martinisten um die Jahrhundertwende, der Arzt Gérard Encausse, der sich Papus nannte, hatte Zar Nikolaus II. bei einem seiner Besuche in Paris bezirzt, war dann nach Moskau gefahren und hatte dort als seinen Assistenten einen gewissen Philippe eingeführt, genauer: Philippe Nizier Anselme Vachod. Als Sechsjähriger vom Teufel besessen, mit dreizehn Wunderheiler, dann Hypno- und Magnetiseur in Lyon, hatte dieser Philippe sowohl den Zaren wie dessen hysterische Gattin fasziniert. Er wurde an den Hof eingeladen, zum Arzt der Petersburger Militärakademie ernannt, zum General und Staatsrat erhoben.
    Daraufhin beschlossen seine Gegner, ihm eine ebenso charismatische Figur entgegenzustellen, die sein Prestige unterminieren sollte. Und so kamen sie auf Nilus.
    Nilus war ein wandernder Mönch, der in talarähnlichen Gewändern durch die Wälder zog, ausgerüstet mit einem langen Prophetenbart, zwei Frauen, einer kleinen Tochter und einer Assistentin oder Geliebten oder was auch immer-, die alle an seinen Lippen hingen. Halb Guru, einer von denen, die dann mit der Kasse durchbrennen, halb

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