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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Zigaretten holen gehen, und die Frau sieht sie nie wieder.«
    »Und der Oberst?«
    »Hast du nicht gesagt, dass nicht mal dieser Kriminalkommissar sicher war, dass er umgebracht worden ist? Vielleicht hatte er irgendein faules Ding gedreht, seine Opfer hatten ihn erkannt, und da musste er sich aus dem Staub machen. Vielleicht verkauft er in diesem Moment gerade den Eiffelturm an einen amerikanischen Touristen und nennt sich Dupont.«
    Ich konnte mich nicht auf allen Fronten geschlagen geben. »Na schön, wir sind von einer Wäscheliste ausgegangen, aber dann waren wir umso bravouröser. Wir wussten selber, dass wir erfanden. Wir haben gedichtet, wir waren Poeten.«
    »Euer Plan ist nicht poetisch. Er ist grotesk. Es kommt den Leuten nicht in den Sinn, nach Troja zurückzukehren und es noch einmal anzuzünden, weil sie Homer gelesen haben. Mit Homer ist der Brand von Troja etwas geworden, was nie gewesen war und nie sein wird und doch immer fortbestehen wird. Die Ilias hat so viele Bedeutungen, weil sie ganz klar ist, ganz durchsichtig. Deine Rosenkreuzer-Manifeste waren weder klar noch durchsichtig, sie waren ein dunkles Gemurmel und versprachen ein Geheimnis. Deswegen haben so viele versucht, sie wahr werden zu lassen, und jeder hat in ihnen gefunden, was er wollte. Bei Homer gibt es kein Geheimnis. Euer Plan ist voll von Geheimnissen, weil er voll von Widersprüchen ist. Deswegen könntest du Tausende von Unsicheren finden, die sofort bereit wären, sich in ihm wiederzuerkennen. Werft den ganzen Plunder weg. Homer hat nicht simuliert. Ihr habt simuliert. Wehe, wenn du simulierst, alle glauben dir. Die Leute haben Semmelweis nicht geglaubt, als er den Ärzten sagte, sie sollten sich die Hände waschen, bevor sie die Gebärenden anfassen. Er sagte zu simple Sachen. Die Leute glauben dem, der Haarwuchsmittel für Glatzköpfige anpreist. Sie spüren zwar instinktiv, dass er Wahrheiten zusammenkleistert, die nicht zusammenhalten, dass er nicht logisch ist und nicht seriös. Aber man hat ihnen gesagt, Gott sei komplex und unergründlich, und daher empfinden sie Inkohärenz als etwas Gottähnliches. Das Unwahrscheinliche ist dem Wunder am ähnlichsten. Ihr habt ein Haarwuchsmittel für Glatzköpfige erfunden. Das gefällt mir nicht, es ist ein hässliches Spiel.«
     
    Nicht dass diese Geschichte unseren Urlaub in den Bergen ruiniert hätte. Wir haben schöne Spaziergänge gemacht, ich habe seriöse Bücher gelesen, ich war noch nie so viel mit dem Kind zusammen. Aber zwischen Lia und mir war etwas ungesagt geblieben. Einerseits hatte sie mich in die Enge getrieben, und es hatte ihr keinen Spaß gemacht, mich zu demütigen, andererseits war sie nicht überzeugt, mich überzeugt zu haben.
    Tatsächlich empfand ich eine gewisse Sehnsucht nach dem Großen Plan, ich wollte ihn nicht wegwerfen, wir hatten zu lange zusammengelebt.
    Vor wenigen Tagen bin ich früh aufgestanden, um den einzigen Zug nach Mailand zu nehmen. Und in Mailand bekam ich dann den seltsamen Anruf von Belbo aus Paris und fing diese Geschichte an, die ich noch nicht zu Ende gelebt habe.
    Lia hatte recht. Wir hätten früher darüber reden sollen. Aber ich hätte ihr trotzdem nicht geglaubt. Denn ich hatte die Kreation des Großen Plans wie den Moment von Tifereth erlebt, das Herz des Sefiroth-Leibes, die Eintracht von Regel und Freiheit. Diotallevi hatte mir gesagt, dass Moses Cordovero uns gewarnt hatte: »Wer sich wegen seiner Torah über den Ignoranten erhebt, will sagen über ganze Volk Jahwehs, der bringt Tifereth dazu, sich über Malchuth zu erheben.« Doch was Malchuth ist, das Reich dieser Erde in seiner strahlenden Einfachheit, das begreife ich erst jetzt. Gerade noch rechtzeitig, um die Wahrheit zu erkennen, vielleicht zu spät, um sie zu überleben.
     
    Lia, ich weiß nicht, ob ich dich wiedersehen werde. Wenn es nicht sein soll, ist das letzte Bild, das ich von dir habe, wie du dalagst vor wenigen Tagen, schlaftrunken unter den Decken. Ich küsste dich und bin zögernd hinausgegangen.

   7
Nezach

 
    107
     
    Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und
    Stoppel streifen?… Mir scheint es, dass er magisch
    leise Schlingen zu künft'gem Band um unsere Füße
    zieht… Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
     
    Faust , I, Vor dem Tor
     
    Was während meiner Abwesenheit geschehen war, besonders in den zwei letzten Tagen vor meiner Rückkehr, konnte ich nur aus Belbos files entnehmen. Doch unter denen gab es nur noch einen klaren Text, den

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