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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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letzten vermutlich, den Belbo kurz vor seiner Abfahrt nach Paris geschrieben hatte, damit ich oder jemand anders – zur künftigen Erinnerung – ihn lesen konnte. Die anderen Texte, die er wie üblich wohl nur für sich selbst geschrieben hatte, waren nicht leicht zu verstehen. Nur ich, der ich mittlerweile in die private Welt seiner Bekenntnisse vor Abulafia eingedrungen war, konnte sie einigermaßen entschlüsseln oder wenigstens erraten.
    Es war Anfang Juni. Belbo war unruhig. Die Ärzte hatten sich an den Gedanken gewöhnt, dass er und Gudrun die einzigen Angehörigen Diotallevis waren, und hatten sich endlich bereit gefunden, zu reden. Seither antwortete Gudrun auf die Fragen der Hersteller und Korrektoren nur noch, indem sie die Lippen tonlos zu einem kurzen Wort schürzte – die Art, wie man die tabuisierte Krankheit benennt.
    Gudrun ging Diotallevi jeden Tag besuchen, und ich fürchte, sie störte ihn durch ihre vor Mitleid glänzenden Augen. Er wusste Bescheid, aber er schämte sich bei dem Gedanken, dass die anderen Bescheid wussten. Er konnte nur mühsam sprechen. »Das Gesicht ist ganz Backenknochen«, hatte Belbo geschrieben. Die Haare fielen ihm aus, aber das lag an der Therapie. »Die Hände sind ganz Finger«, hatte Belbo geschrieben.
    Ich glaube, bei einem ihrer mühsamen Gespräche muss Diotallevi ihm schon angedeutet haben, was er ihm dann am letzten Tag sagte. Belbo machte sich bereits klar, dass Identifikation mit dem Plan von Übel war, vielleicht das Übel. Doch vielleicht um den Plan zu objektivieren und in seine rein fiktive Dimension zurückzuversetzen, hatte er sich hingesetzt und ihn aufgeschrieben, Wort für Wort, als handle es sich um die Erinnerungen des Oberst Ardenti. Er erzählte den Plan wie ein Initiierter, der sein letztes Geheimnis mitteilt. Ich glaube, für ihn war es eine Kur: Er erstattete der Literatur zurück, so schlecht sie auch sein mochte, was nicht Leben war.
    Am 10. Juni muss dann aber etwas passiert sein, was ihn erschüttert hatte. Die Aufzeichnungen darüber sind konfus, ich behelfe mich mit Konjekturen.
     
    Lorenza hatte ihn, scheint es, gebeten, mit ihr im Auto an die Riviera zu fahren, wo sie bei einer Freundin vorbeischauen und etwas abholen musste, was weiß ich, ein Dokument, eine notarielle Urkunde, irgendeine Kleinigkeit, die genauso gut mit der Post hätte geschickt werden können. Belbo hatte sofort zugesagt, beglückt von der Idee, einen Sonntag mit ihr am Meer verbringen zu können.
    Sie waren an den betreffenden Ort gefahren, ich habe nicht ganz verstanden, wohin genau, vielleicht in die Nähe von Rapallo. Belbos Sätze schilderten Stimmungslagen, nicht Landschaften wurden aus ihnen deutlich, sondern Erregungen, Spannungen, Niedergeschlagenheiten. Lorenza war ihre Besorgung machen gegangen, Belbo hatte solange in einer Bar gewartet, und dann hatte sie ihm vorgeschlagen, zum Mittagessen in ein Fischrestaurant hoch über dem Meer zu gehen.
    Von nun an zerfiel die Geschichte in Stücke, ich deduziere sie aus Dialogfetzen, die Belbo ohne Anführungszeichen aneinandergereiht hatte, hastig, als müsste er eine Serie von Epiphanien mitschreiben, bevor sie verblassten. Sie waren so weit hinaufgefahren, wie es ging, hatten das Auto dann stehenlassen und waren zu Fuß weitergegangen, auf einem von diesen schmalen ligurischen Küstenpfaden zwischen Ginstersträuchern am Steilhang, und schließlich hatten sie das Restaurant gefunden. Aber kaum hatten sie Platz genommen, da sahen sie auf dem Tisch nebenan eine Karte stehen, die ihn für Doktor Agliè reservierte.
    Na so ein Zufall, muss Belbo gesagt haben. Ein saudummer Zufall, sagte Lorenza, sie wolle nicht, dass Agliè sie hier sehe, hier mit ihm. Warum sie das nicht wolle, was denn so schlimm daran sei, ob Agliè etwa das Recht habe, eifersüchtig zu sein? Was heißt hier Recht, das ist eine Frage des Takts, er hatte mich zum Essen eingeladen für heute, und ich hab gesagt, ich sei leider beschäftigt, und jetzt möchte ich nicht als Lügnerin dastehen. Du stehst nicht als Lügnerin da, du bist wirklich beschäftigt, mit mir nämlich bist du beschäftigt, ist das vielleicht etwas, wofür du dich schämen musst? Schämen nicht, aber du wirst mir schon noch erlauben, meine eigenen Diskretionsregeln zu haben.
    Sie hatten das Restaurant verlassen und sich wieder auf den Weg zum Auto hinunter gemacht. Aber plötzlich war Lorenza stehengeblieben, denn sie hatte Leute heraufkommen sehen, die Belbo nicht kannte,

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