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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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herauskam, in denen sie so lange eingepfercht gewesen war, um sich fiebernd, gurgelnd und voller Würmer in die nahe Seine zu ergießen. Von der Place Maubert, die heute durch den Boulevard Saint-Germain verunstaltet wird, gelangte man damals in eine Vielzahl enger Sträßchen wie der Rue Maître-Albert, der Rue Saint-Séverin, der Rue Galande, der Rue de la Bûcherie und der Rue Saint-Julien-le-Pauvre bis hinüber zur Rue de la Huchette, in denen es allerlei schmutzige kleine Hotels gab, meist geführt von Auvergnaten, Wirten mit einer legendären Habgier, die für die erste Nacht einen ganzen Franc nahmen und für die folgenden vierzig Centimes (plus zwanzig Sous, wenn man auch ein frisches Laken wollte).
    Wäre unser Passant dann in jene Straße eingebogen, die später Rue Frédéric-Sauton heißen sollte, aber damals noch Rue d’Amboise hieß, so hätte er etwa in ihrer Mitte, zwischen einem als Bierlokal getarnten Bordell und einer Taverne, in der man, zu billigstem Wein, für zwei Sous speisen konnte (was schon damals sehr wenig war, aber gerade soviel, wie die Studenten der nahen Sorbonne es sich leisten konnten), rechts eine Sackgasse gefunden, die schon damals Impasse Maubert hieß, aber bis 1865 Cul-de-sac d’Amboise genannt wurde und in früheren Jahren einen tapis-franc beherbergt hatte (so hieß im Jargon des Milieus eine Spelunke, eine Kaschemme untersten Ranges, die gewöhnlich von einem Exhäftling geführt und von frisch aus dem Knast Entlassenen frequentiert wurde), und die auch deshalb zu traurigem Ruhm gelangt war, weil sich dort im 18. Jahrhundert das Laboratorium dreier berühmter Giftmischer befunden hatte, die eines Tages tot darin aufgefunden worden waren, erstickt von den Ausdünstungen der Substanzen, die sie auf ihren Brennern destilliert hatten.
    In der Mitte dieser Sackgasse tat sich ganz unbeachtet das Schaufenster eines Trödlerladens auf, dessen Auslage ein verblasstes Firmenschild als Brocantage de Qualité anpries – ein nicht sehr transparentes Schaufenster, wegen des dicken Staubes, der auf den Scheiben lag, die im übrigen auch nur wenig von der ausgestellten Ware und dem Inneren zeigten, da jede von ihnen, eingefasst von einem hölzernen Rahmen, kaum mehr als zwanzig Zentimeter hoch und breit war. Neben diesem Schaufenster hätte unser Passant eine Tür erblickt, die immer geschlossen war, und neben dem Draht einer Klingel ein Schildchen, auf dem zu lesen stand, dass der Eigentümer vorübergehend abwesend sei.
    Wäre jedoch, was selten geschah, die Türe offen gewesen, so hätte der Eintretende im ungewissen Licht jenes Raumes, verteilt auf wenige schiefe Regale und einige ebenso wacklige Tische, eine Anhäufung von Gegenständen gesehen, die auf den ersten Blick begehrenswert aussehen mochten, bei genauerem Hinsehen sich jedoch als ganz und gar unbrauchbar für jeden ehrlichen Handel erwiesen, auch wenn sie zu ebenso verschlissenen Preisen angeboten würden. So zum Beispiel zwei verbogene Feuerböcke, die jeden Kamin geschändet hätten, eine Pendeluhr aus teilweise abgesplitterter blauer Emaille, verblichene Kissen, die vielleicht einmal in lebhaften Farben bestickt waren, hohe Blumenständer mit Putten aus angestoßener Keramik, schwankende Tischchen in unklarem Stil, ein Briefkartenkörbchen aus verrostetem Eisen, undefinierbare Schachteln mit Brandmalerei, abscheuliche Fächer aus Perlmutt mit chinesischen Motiven, eine Halskette offenbar aus Bernstein, zwei weiße Leinenschühchen mit glasdiamantbesetzten Schnallen, eine angeschlagene Napoleonbüste, Schmetterlinge unter gesprungenem Glas, Früchte aus buntem Marmor unter einer einst durchsichtigen Glasglocke, Kokosnüsse, alte Alben mit bescheidenen Blumenaquarellen, ein paar gerahmte Daguerreotypien (die zu jener Zeit noch gar nicht den Reiz einer Antiquität hatten) – so dass einer, der plötzlich, verruchterweise von einem dieser elenden Überreste alter Pfändungen verarmter Familien angezogen, den misstrauisch blickenden Eigentümer gefunden und ihn nach dem Preis gefragt hätte, mit einer Summe konfrontiert worden wäre, die selbst den verrücktesten Sammler antiquarischer Missbildungen entwaffnet hätte.
    Und wäre der Besucher schließlich kraft eines Passierscheins durch eine zweite Türe geschritten, die das Innere des Ladens von den oberen Stockwerken des Gebäudes trennte, und hätte die Stufen einer knarzenden Wendeltreppe erklommen, wie sie charakteristisch für jene schmalen Pariser Häuser ist, deren

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