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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zurückgeleitet, wieder andere lässt man frei dahinfließen, schließlich kann man nicht alles eindämmen, und es ist gut für den Strom, einen Teil seines Wassers zu verlieren, wenn er seine Grundrichtung beibehalten, wenn er einen erkennbaren Verlauf haben will.«
    »Ich verstehe immer weniger.«
    »Zugegeben, ich bin wohl nicht sehr begabt im Erfinden von Allegorien. Vergiss die Geschichte vom Strom. Versuche lieber zu verstehen, dass viele der Bewegungen, deren Namen du aufgezählt hast, vor mindestens zweihundert Jahren entstanden sind und heute kaum noch existieren, andere dagegen sind noch recht jung...«
    »Aber wenn man von Ketzern spricht, meint man sie immer alle gemeinsam.«
    »Ja, aber das ist eine der Arten, wie die Ketzerei sich verbreitet, und es ist zugleich eine der Arten, wie sie zerstört wird.«
    »Ich verstehe schon wieder nicht.«
    »Mein Gott, ist das schwer zu erklären! Also gut, fangen wir noch einmal neu an. Stell dir vor, du wärst ein Reformator, ein Erneuerer der Lebensformen. Du versammelst ein paar Getreue, um mit ihnen auf dem Gipfel eines Berges in Armut zu leben. Es dauert nicht lange, und viele Menschen strömen herbei, auch von weither, um dich als einen Propheten oder neuen Apostel zu verehren und dir nachzufolgen. Kommen sie wirklich nur deinetwegen, aufgrund deiner Predigt?«
    »Ich weiß nicht, ich hoffe doch. Warum sonst?«
    »Vielleicht weil sie von ihren Eltern Geschichten über andere Reformatoren gehört haben und Legenden über mehr oder minder vollkommene Bruderschaften, und nun meinen sie, diese sei jene und jene sei diese.«
    »Demnach erbt also jede neue Bewegung die Kinder der älteren?«
    »Sicher, denn ihren größten Zulauf erhält sie immer von Laien, einfachen Leuten, die von den Feinheiten der theologischen Lehre nichts verstehen. Gleichwohl entstehen solche Reformbewegungen an verschiedenen Orten, auf verschiedene Weise und mit sehr unterschiedlichen Lehren. Zum Beispiel werden die Katharer häufig mit den Waldensern verwechselt, obwohl ein großer Unterschied zwischen ihnen besteht. Die Waldenser predigten eine Erneuerung der Lebensweise innerhalb der bestehenden Kirche, die Katharer predigten eine andere Kirche, eine andere Anschauung Gottes und der Moral. Sie meinten, die Welt zerfalle in zwei streng geschiedene und einander hart entgegengesetzte Teile, hier die Kräfte des Guten, dort die Kräfte des Bösen; sie hatten eine eigene Kirche gegründet, in der die kleine Führungsschicht der Perfecti sich scharf von den einfachen Gläubigen abgrenzte; sie hatten eigene Sakramente und eigene Riten und eine sehr starre Hierarchie, fast so starr wie die unserer heiligen Mutter Kirche, und sie dachten gar nicht daran, jedwede Form von Macht zu zerschlagen – was übrigens erklärt, weshalb unter anderem große Herren, Grundbesitzer und reiche Adlige zu ihnen stießen. Auch dachten die Katharer gar nicht daran, die Welt zu verändern, da ihnen der Gegensatz zwischen gut und böse als schlechthin unüberwindlich erschien. Die Waldenser dagegen (und mit ihnen die Arnoldisten oder lombardischen Pauperes) wollten eine andere Welt errichten auf einem Ideal der Armut, weshalb sie die Elenden und Entrechteten in ihre Reihen aufnahmen und gemeinschaftlich von ihrer Hände Arbeit lebten. Die Katharer lehnten die Sakramente der römischen Kirche ab, die Waldenser nicht, sie verwarfen lediglich die Ohrenbeichte.«
    »Aber warum werden dann die beiden Bewegungen stets in einem Atemzug genannt, warum spricht man von ihnen immer, als wären sie beide ein und dasselbe schlimme Unkraut?«
    »Ich sagte doch: Was sie mit Leben erfüllt, das bringt ihnen auch den Tod. Sie erhalten Zulauf von einfachen Leuten, die durch andere Bewegungen aufgerüttelt worden sind und nun meinen, es handle sich um das gleiche Motiv der Revolte und der Hoffnung. Außerdem werden sie von den Inquisitoren zerschlagen, die den einen die Fehler der anderen zuschreiben. Wenn die Sektierer einer bestimmten Bewegung irgendwo ein Verbrechen begangen haben, wird dieses Verbrechen sofort den Sektierern aller Bewegungen zugeschrieben. Nach der Vernunft sind die Inquisitoren im Unrecht, da sie entgegengesetzte Doktrinen in einen Topf werfen, aber nach dem Unrecht der anderen sind sie im Recht, denn sobald irgendwo zum Beispiel eine Bewegung von Arnoldisten aufkommt, strömen ihr auch diejenigen zu, die vielleicht anderswo Katharer oder Waldenser geworden wären (oder gewesen waren). Die Apostler des Fra Dolcino

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