Die historischen Romane
gewinnen.
Ich begann das Gespräch mit Don Fortunato, indem ich ihn in einem Gartenlokal überraschte, wo er gemächlich seinen Kaffee nach der Morgenmesse schlürfte. Der Ort war zentral gelegen, fast elegant, Don Fortunato saß versonnen da, das Gesicht zur Sonne gekehrt, mit halbgeschlossenen Augen, der Bart mehrere Tage alt, im schwarzen Anzug mit Krawatte auch an diesen heißen Junitagen, eine halb erloschene Zigarre zwischen den nikotingelben Fingern. Mir ist aufgefallen, dass sie hier eine Zitronenschale in den Kaffee tun. Ich hoffe, sie tun das nicht auch beim Milchkaffee.
Am Nebentisch sitzend genügte es mir, ein bisschen über die Hitze zu klagen, und schon waren wir im Gespräch. Ich sagte, ich sei von der Römischen Kurie hergeschickt worden, um herauszufinden, was hier im Gange ist, und das erlaubte Musumeci, offen mit mir zu reden.
»Hochwürdiger Pater, glauben Sie wirklich, dass tausend kunterbunt zusammengewürfelte und aufs Geratewohl bewaffnete Personen in Marsala landen können, ohne einen einzigen Mann zu verlieren? Warum haben die bourbonischen Schiffe, und das ist die zweitgrößte Marine in Europa nach der britischen, warum haben die ins Blaue geschossen, ohne jemanden zu treffen? Und später dann bei Calatafimi, wie ist es gekommen, dass dieselben tausend Hergelaufenen, plus ein paar hundert Gauner aus den Bergen, getrieben von ein paar Grundbesitzern, die sich mit den Neuankömmlingen gutstellen wollen, konfrontiert mit einer der bestausgebildeten Armeen der Welt – ich weiß nicht, ob Sie wissen, was eine bourbonische Militärakademie ist –, wie kommt es, frage ich Sie, dass tausend und ein paar mehr Hungerleider fünfundzwanzigtausend Mann in die Flucht geschlagen haben, auch wenn man bloß einige tausend davon gesehen hat und die anderen noch in den Kasernen zurückgehalten worden sind? Ich sage Ihnen, Hochwürden, da sind Gelder geflossen, Gelder in Strömen, um die Marineoffiziere in Marsala zu schmieren und den General Landi in Calatafimi, der nach einem Tag voller Zaudern und Zögern noch genug frische Truppen gehabt hätte, um diese Herren Freiwilligen zu erledigen, aber sich stattdessen nach Palermo zurückgezogen hat. Man spricht bei ihm von einem Schmiergeld in Höhe von vierzehntausend Dukaten, wissen Sie das? Und was tun seine Vorgesetzten? Wegen sehr viel weniger hatten die Piemontesen vor zwölf Jahren den General Ramorino füsiliert – nicht dass mir die Piemontesen sympathisch wären, aber von militärischen Dingen verstehen die was. Stattdessen wurde Landi einfach durch Lanza ersetzt, der meiner Meinung nach auch geschmiert ist. Sehen Sie sich nur mal diese ach so berühmte Eroberung von Palermo an… Garibaldi hatte seine Banden mit dreitausendfünfhundert Spitzbuben aus der sizilianischen Unterwelt verstärkt, aber Lanza verfügte über sechzehntausend Mann, sechzehntausend, sage ich! Und anstatt sie massenhaft einzusetzen, schickt er sie in kleinen Gruppen den Rebellen entgegen, ist doch klar, dass sie jedesmal unterliegen, auch weil einige palermitanische Verräter dafür bezahlt worden sind, von den Dächern herab auf sie zu schießen. Im Hafen, vor den Augen der bourbonischen Marine, laden derweil piemontesische Schiffe Gewehre für die Freiwilligen aus, und man lässt Garibaldi an Land zum Carcere della Vicaria und zum Zuchthaus Bagni dei Condannati gehen, aus denen er weitere tausend gewöhnliche Verbrecher befreit und in seine Bande eingliedert. Und ich will gar nicht davon reden, was zur Zeit in Neapel geschieht, unser armer König ist umgeben von elenden Verrätern, die ihr Schmiergeld schon bekommen haben und dafür sorgen, dass ihm der Boden unter den Füßen wegrutscht…«
»Aber woher kommen all diese Gelder?«
»Hochwürdiger Pater! Es erstaunt mich, dass Sie in Rom so wenig wissen! Das ist die englische Freimaurerei! Sehen Sie den Zusammenhang? Garibaldi Freimaurer, Mazzini Freimaurer, Mazzini im Londoner Exil kontaktiert die englischen Freimaurer, der Freimaurer Cavour wird von englischen Logen gesteuert, sämtliche Männer rings um Garibaldi sind Freimaurer. Ihr Plan zielt gar nicht so sehr auf die Zerstörung des Reiches beider Sizilien, sondern viel mehr darauf, Seiner Heiligkeit einen tödlichen Schlag zu versetzen, denn es ist doch klar, dass Vittorio Emanuele nach dem Bourbonenreich auch Rom beanspruchen wird. Glauben Sie diese schöne Geschiche von den Freiwilligen, die mit neunzigtausend Lire in der Kasse aufgebrochen sind? Das war
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